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Foto: picture-alliance/Geisler Fotopress/Christoph Hardt
Einkaufen zu Weihnachten ist in diesem Jahr zum teuren Vergnügen geworden.

Inflation : Ganz schnell nach oben

Die Inflation zieht an. Im Bundestag steht unter anderem die Geldmengenausweitung der EZB in der Kritik.

13.12.2021
2024-04-18T09:13:05.7200Z
4 Min

Noch im vergangenen Sommer war von Preiserhöhungen und Inflation keine Rede: "In drei der vier großen Länder Europas - Spanien, Italien und in geringerem Umfang Deutschland - war im August ein Preisrückgang zu beobachten", berichtete der Börsenbroker Lynx damals. Die Folgen der Covid-19-Pandemie hätten die Inflation im Euroraum fast bis auf Rekordtiefstände sinken lassen. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Die Preise kennen nur noch eine Richtung: nach oben - und zwar schnell.

Die amtliche Inflationsrate von 5,2 Prozent müsste sogar höher ausfallen, wenn die Preisentwicklung bei selbstgenutzten Immobilien einbezogen werden würde. Dieser Effekt wird für Deutschland mit 0,5 Prozent angegeben, so dass von einer Inflationsrate von derzeit 5,7 Prozent auszugehen ist. Die Einbeziehung der Immobilienpreise wurde in der Vergangenheit häufig gefordert. Die Europäische Zentralbank (EZB) will diese Kosten aber erst ab 2026 berücksichtigen. .

Geldschwemme durch Europäische Zentralbank

Die Gründe für den starken Preisauftrieb sind bekannt. Die Energiekosten sind auch durch Steueranhebungen stark gestiegen, Lieferengpässe aus unterschiedlichen Gründen verknappen das Warenangebot. Außerdem sorgt die Geldschwemme der EZB für weiteren Druck auf die Inflationsrate im Euroraum. Der sich verschlechternde Wechselkurs des Euro gegenüber dem amerikanischen Dollar lässt viele Importe teurer werden.

Dennoch geht EZB-Präsidentin Christine Lagarde davon aus, dass die Inflation nur von vorübergehender Dauer ist. Sie sieht keinen Anlass,, kurzfristig den Ankauf von Anleihen einzuschränken und die Zinsen zu erhöhen. "Das, was die Inflation derzeit treibt, sind vorübergehende Effekte, die aber leider alle gleichzeitig zusammenkommen", stützt auch Kerstin Bernoth vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Position der EZB.

Andere Experten wiederum sehen die EZB direkt in der Verantwortung. So heißt es in einem gemeinsamen Appell von Prominenten wie dem ehemaligen deutschen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), dem früheren EU-Kommissar Günther Göttinger (CDU), dem Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn (früher Ifo-Institut) und dem früheren bayerische Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), die jahrelang von der EZB betriebene ultraexpansive Geldpolitik erzeuge nicht nur ein Inflationspotential, sondern gefährde die langfristige Finanzstabilität. In den Eurostaaten sei die Illusion entstanden, auch ohne das Wachstum stärkende Reformen steigende Staatsausgaben dauerhaft zu Null- und Negativzinsen finanzieren zu können. Die EZB müsse über kurz oder lang die Staatsanleihenkäufe rückabwickeln und die Zinsen behutsam erhöhen.

"Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben", erklärt Kurt von Storch, Gründer und Eigentümer des Vermögensverwalters "Flossbach von Storch AG". Selbst wenn sich die Wirtschaft wieder normalisieren und sich Engpässe in den Lieferketten auflösen sollten, komme es zu Zweitrundeneffekten, wenn Arbeitnehmer höhere Löhne fordern würden. "Mittel- bis langfristig kommen mit den drei ,D' in Form von Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Demografie weitere Inflationstreiber hinzu", so von Storch. Außerdem sei aus Sicht mancher Finanzminister die Inflation letztlich sogar ein Segen. Denn ein inflationiertes Bruttoinlandsprodukt reduziere die Schuldenquote - und zwar ohne irgendwelche Sparmaßnahmen.

Experten warnen davor, Inflationsrisiko auf die leichte Schulter zu nehmen

Auch Ernst Baltensperger, emeritierter Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bern, warnt die EZB und andere Zentralbanken davor, das Inflationsrisiko weiterhin auf die leichte Schulter zu nehmen. Er fühle sich an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert, als man geglaubt habe, Geldpolitik ohne Rücksicht auf die Gefahr künftiger Inflation machen zu können. Dies habe sich später bitter gerächt. Heute sei die Situation sogar viel explosiver als damals, so Baltensperger.

Wie in der Wissenschaft gingen auch in den Bundestag am Donnerstag die Meinungen weit auseinander. "Die Inflation, die wir gerade erleben, ist das vergiftete Erbe der Merkel-Regierung mit tatkräftiger Unterstützung der Grünen", erklärte Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) zu den sozialen Folgen der Inflation und zu den Mobilitätskosten, wozu mehrere Oppositionsanträge vorlagen (siehe Text rechts). 5,2 Prozent Inflation würden auf einem zinslosen Sparbuch mit 20.000 Euro zu einem Verlust von 1.000 Euro im Jahr führen. Reiche hätte mit der Inflation hingegen kein Problem, weil sie ihr Vermögen in Aktien und Immobilien sicher anlegen würden. EZB-Nullzinspolitik und "Geldddruckorgien" hätten die Voraussetzung für die Enteignung der Sparer geschaffen.

Für Cansel Kiziltepe (SPD) ist die Inflation dagegen nicht Schuld der EZB. Die AfD suche nur einen Sündenbock. Eine steigende Geldmenge habe nichts mit Inflation zu tun. Die Preise würden unter anderem durch Probleme bei globalen Lieferketten, einem knappen Angebot an Gas und Halbleitern steigen.

Hermann-Josef Tebroke (CDU) verwies auf die Jahresdaten. Für 2021 werde mit einer Inflationsrate von 2,9 Prozent gerechnet, 2022 mit 2,5 Prozent. Das sei in der Höhe weder ungewöhnlich noch unerwartet. Wenn private Haushalte sich Sorgen machen würden, müssten diese Sorgen ernst genommen werden. Die von der AfD geforderten Maßnahmen seien nach EU-Recht zum Teil unzulässig.

Grüne sehen noch keine "Hyperinflation"

Lisa Paus (Grüne) sagte, die 5,2 Prozent im November seien weit weg von einer Hyperinflation. Die Jahresinflationsrate werde aber unter drei Prozent liegen - und das nach den ganzen Deflationseffekten, der wieder erhöhten Mehrwertsteuer und brüchigen Lieferketten. Die Vorstellungen der AfD würden das Land erst in die Inflation treiben. Auch für Jessica Tatti (Linke) kommen von der AfD "ziemlich skurrile Vorschläge". Die AfD setzte sich für Großverdiener ein, während Menschen mit mittlerem und kleinen Einkommen am meisten unter dem Verlust der Kaufkraft leiden würden.

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Pascal Kober (FDP) sagte, wenn die AfD auf der einen Seite Steuern und Abgabensenken wolle, dann müsse sie auf der anderen Seite sagen, wie sie das finanzieren wolle. Klaus Wiener (CDU) zeigte sich "überrascht über die Gelassenheit mit der man hier über die Inflation spricht". Davon auszugehen, die Geldmengenausweitung sei kein Problem ,halte er für eine "gefährliche These".