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KULTUR : Die Urenkelin des armen Poeten

Bundestag fordert mehr Chancengleichheit und geringere Lohnunterschiede

01.03.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Müsste Carl Spitzweg sein berühmtes Gemälde "Der arme Poet" von 1839 noch einmal malen, er müsste eine Poetin in der ärmlichen Dachkammer unter dem undichten Dach auf Leinwand bannen. Denn heute sind es überdurchschnittlich mehr Frauen in der Kulturbranche, die in prekären Verhältnissen ihre Kreativität beweisen müssen. Auch in den Führungsetagen der Kultur- und Medienbranche sind sie seltener anzutreffen als Männer, sie sitzen seltener auf dem Regiestuhl, in Jurys oder Rundfunkräten, ihre Bilder werden seltener ausgestellt oder ihre Drehbücher verfilmt. Und sie verdienen weniger. Etliche Studien etwa des Deutschen Kulturrates zeigen dies deutlich. Trotz aller positiven Entwicklungen, die es durchaus zu vermelden gibt.

Gut eine Woche vor dem Internationalen Frauentag am 8. März hat sich der Bundestag in der vergangenen Woche gleich mehrfach mit dem Thema Gleichstellungspolitik auseinandergesetzt. Bereits am Mittwoch debattierte er über etliche Anträge von Linken und Grünen, die einen Rückfall in alte Rollenmuster in der Arbeitswelt während der Corona-Pandemie beobachten und am Donnerstag stand der Regierungsentwurf der Bundesregierung für eine Mindestbeteiligung von Frauen in den Vorstandetagen deutscher Unternehmen auf der Agenda. Nur wenige Stunden später nahmen sich auch die Kultur- und Medienpolitiker des Bundestages des Themas an, über Möglichkeiten zu beraten, wie mehr Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern geschaffen und die Lohnlücke geschlossen werden kann.

Einfach ist dieses Unterfangen nicht. Gerade die freie Kulturszene ist gewollter Weise staatlichen Eingriffen weitgehend entzogen, der Verkaufspreis eines Gemäldes nicht zu regulieren und der Bund besitzt wegen der Kulturhoheit der Länder gar keine Regelungskompetenz.

Förderrichtlinien Am Ende der Debatte verabschiedete der Bundestag schließlich einen Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/26893), der zumindest bei der Kulturförderung des Bundes darauf dringt, dass Frauen mehr Berücksichtigung finden und Honorarempfehlungen in die Förderrichtlinien aufgenommen werden. Ansonsten soll der Bund auf die Länder und Kommunen einwirken, damit für die Kinder von Künstlerinnen und Künstlern und Kreativen eine Kinderbetreuung auch außerhalb der regulären Zeiten ermöglicht wird. Theatervorstellungen beginnen eben meist erst am Abend. Darüber hinaus sollen die nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Datenerhebungen des Deutschen Kulturrates zur wirtschaftlichen und sozialen Lage im Arbeitsmarkt von der Regierung weiterhin finanziell unterstützt und zu einem kontinuierlichen Gender-Monitoring weiterentwickelt werden.

Linke und Grüne hätten sich da deutlich mehr gewünscht, etwa durch feste Quoten für die Vergabe von Fördermitteln und für Gremien oder die Einführung eines Verbandklagerechts, wie sie unter anderem in ihren Anträgen (19/26873, 19/26888) forderten. Am Ende wollten sie aber auch nicht gegen den Koalitionsantrag votieren und enthielten sich ebenso wie die FDP der Stimme.

Lediglich die AfD, die unter Geschlechtergerechtigkeit im Verständnis der anderen Fraktionen lediglich "ein geschicktes Framing für radikalfeministische Forderungen" oder "den Kampf gegen obskure Männernetzwerke" sieht, lehnte selbst den recht zurückhaltenden Antrag der Koalition ab.