D ass die monatelange Debatte über das Für und Wider einer Impfpflicht, ebenso die Suche nach einem Kompromiss mit immer neuen Altersgrenzen ein kommunikatives Desaster der Ampel-Regierung gewesen ist, lässt sich nicht bestreiten. Der Kanzler, auch der Gesundheitsminister haben keine gute Figur gemacht - die Union im Übrigen auch nicht. Die Folgen müssen jetzt alle in den weiteren Diskussionen ausbaden. Doch von einer großen Niederlage der Regierung zu sprechen, ist eher gewagt. Scholz und Co haben mit ihrer Vorgehensweise bewusst das Parlament gestärkt.
Die leidenschaftliche Debatte im Bundestag über die Impfpflicht hat doch gezeigt, dass das Verfahren richtig gewählt war. Nur selten geht es noch so argumentativ offen, kontrovers und emotional zu. Niemand möchte parlamentarische Lemminge, die ihrer Fraktionsführung einfach nur hinterherrennen. Der Bundestag braucht weitaus mehr Entscheidungen, in denen die Abgeordneten ihrem Gewissen tatsächlich folgen können. Durch das Ampel-Procedere zur Impfpflicht ist dafür hoffentlich die Tür einen Spalt weit aufgestoßen worden.
In der Politik ist allerdings nichts frei von Taktik. Kanzler Scholz hat mit seinem Vorgehen wohl auch vermeiden wollen, die neue, sich noch findende Koalition gleich hinter sich zu zwingen. Die Herausforderungen durch die Ukraine-Krise waren auch schon vor dem Krieg immens. Es war daher klug, eine solche Zerreißprobe zu vermeiden. Scholz scheint zudem aus der Geschichte gelernt zu haben - der Kanzler, der lieber mit Druckmitteln gearbeitet hat und als einziger sogar zweimal die Vertrauensfrage stellte, war SPD-Mann Gerhard Schröder. Und der ist kein gutes Vorbild mehr.
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