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Neue Regeln beim Arbeitslosengeld II : Fordern und Fördern von Arbeitssuchenden

Die Bundesregierung will Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen für Empfänger von Arbeitslosengeld II für ein Jahr aussetzen.

16.05.2022
2024-02-14T11:30:50.3600Z
3 Min

Die Bundesregierung will die Sanktionen bei Pflichtverletzungen für Empfänger von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") für zwölf Monate aussetzen. Während der ersten Lesung ihres Gesetzentwurfs zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) am vergangenen Freitag machten Abgeordnete der Ampelkoalition deutlich, dass der aktuelle Diskussionsstand in der Koalition in einigen Punkten von der Gesetzesvorlage abweicht, in der von einem Sanktionsmoratorium bis zum Jahresende die Rede ist. Nach dieser befristeten Aussetzung der Sanktionen bei Pflichtverletzungen soll das im Koalitionsvertrag angekündigte Bürgergeld das Hartz-IV-System ablösen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 hohe Kürzungen für unrechtmäßig erklärt

Die Bundesregierung bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019. Das Gericht hatte die Sanktionen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, soweit die Regelleistung nach wiederholten Pflichtverletzungen der Leistungsbezieher um mehr als 30 Prozent gekürzt wird oder sogar ganz entfällt. Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem, wenn der Regelbedarf bei einer Pflichtverletzung auch bei außergewöhnlichen Härten gekürzt werden muss und wenn für alle Leistungskürzungen eine Dauer von drei Monaten vorgegeben wird.

Als Pflichtverletzung gilt die Weigerung, eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen

Die Sanktionsparagraf 31a des SGB II regelt, dass das Arbeitslosengeld II nach einer Pflichtverletzung zunächst um 30 Prozent gekürzt werden muss. Bei der zweiten Pflichtverletzung wird die Zahlung um 60 Prozent gekürzt, ab der dritten Pflichtverletzung wird sie gestrichen. Als Pflichtverletzung gilt zum Beispiel die Weigerung, eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen oder sich darum zu bewerben. Auch wer eine angebotene Weiterbildung ausschlägt oder abbricht, begeht eine Pflichtverletzung.

Für die Bundesregierung kündigte die Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium, Anette Kramme (SPD), an, dass künftig den Betroffenen durch Vorrang für Weiterbildung und bessere Eingliederung mehr Sicherheit gegeben werden soll, um sich auf die Arbeitsuche konzentrieren zu können. Ausgesetzt werden sollen nur die Sanktionen auf Pflichtverletzungen.

Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Terminverletzungen sollen beibehalten werden

Die häufigeren, mit einer zehnprozentigen Regelsatz-Kürzung verbundenen Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Terminverletzungen sollen beibehalten werden. Kramme hält das persönliche Gespräch im Jobcenter für unerlässlich, Mitwirkungspflichten werde es auch in Zukunft geben - jedoch verhältnismäßig.

Annika Klose (SPD) räumte ein, dass es bei der Ausgestaltung des künftigen Bürgergeldes noch viele offene Fragen gebe. Geplant sei, den Sozialstaat stärker am Individuum auszurichten, es gehe um eine "Kultur auf Augenhöhe", im Vordergrund stünden Teilhabe und Respekt.

Den Einwand von Jessica Tatti (Linke), dass Sanktionen nach dem Moratorium nachgeholt werden könnten, räumte Frank Bsirske (Grüne) aus. Dazu werde es nicht kommen. Nicht Sanktionen dürften die Arbeit in den Jobcentern bestimmen, sondern "faire Spielregeln". Jens Teutrine (FDP) bekräftigte, dass das Prinzip "Fordern und Fördern" auch in Zukunft bestehen bleiben müsse.

Kritik kam von der Opposition. Jessica Tatti nannte das Moratorium eine Mogelpackung. Jana Schimke (CDU) monierte, dass nur noch über Rechte und nicht über Pflichten in der Grundsicherung geredet werde, und Norbert Kleinwächter (AfD) erinnerte an die Verpflichtung, die Sozialsysteme tragfähig zu halten.