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Vor 50 Jahren...
Benjamin Stahl
Streit um Ostpolitik

17.5.1972: Bundestag verabschiedet Ostverträge Ost gegen West - der alte Konflikt ist vor dem russischen Angriff auf die Ukraine so aktuell und so brisant wie seit Jahrzehnten nicht. Auch die Frage nach der Russlandpolitik der SPD wird nun wieder diskutiert. Besonders hart wurde diese Debatte einst geführt, als der Bundestag die sogenannten Ostverträge verabschieden und der Entspannungspolitik von Kanzler Willy Brandt (SPD) folgen sollte.

"Wir müssen zu einem Miteinander statt einem Nebeneinander kommen", hatte Brandt 1969 erklärt. "Wandel durch Annäherung" lautete sein Motto. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt bemühte er sich um Gewaltverzichtsverträge mit der Sowjetunion und Polen. Als 1970 aber der Moskauer und der Warschauer Vertrag unterzeichnet wurden, die auch die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Grenzen garantierten, führte das zu innenpolitischen Auseinandersetzungen. Die Union fürchtete, dass damit die DDR anerkannt würde. Vor der Ratifizierung der Ostverträge stritten die Abgeordneten 22 Stunden lang. Die rot-gelbe Koalition opfere die Einheit Deutschlands, wiederholte die Union. Brandt widersprach: Seine Regierung habe die nationale Einheit im Blick. Dem "Gewaltverzicht auf dem Papier" stehe ein "bleibender Schießbefehl in der Wirklichkeit" gegenüber, konterte Rainer Barzel (CDU). Nachdem die Union mit einem Misstrauensvotum gegen Brandt gescheitert war, einigten sich der Kanzler und Barzel auf einen Kompromiss: In einer gemeinsamen Entschließung wurde festgeschrieben, dass die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands einem Friedensvertrag vorbehalten bleibe. Am 17. Mai 1972 wurden die Ostverträge schließlich ratifiziert - bei Enthaltung der Unionsfraktion.Benjamin Stahl

Aus Politik und Zeitgeschichte

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