Mit 800.000 Einwohnern ist Danyang für chinesische Verhältnisse eine kleine Stadt. Gelegen am Rande des Jangtse-Deltas geht sie in Nachbarschaft der Boom-Metropolen Shanghai, Nanjing und Hangzhou unter. Und doch ist Danyang ein wirtschaftliches Schwergewicht. Rund die Hälfte aller exportierten Brillengläser weltweit kommt aus Danyang. Sie ist in China auch bekannt als "Stadt der Brillen".
Danyang zeigt, wie es China geschafft hat, binnen weniger Jahrzehnte von einer rückständigen Volkswirtschaft zum Technologieführer zahlreicher Branchen zu werden. Die Ökonominnen Aoife Hanley vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Gong Yundang vom King's College in London sind dieser Entwicklung nachgegangen und werteten die Daten von 170.000 Firmen in China aus. Ihr Ergebnis: Vor allem dort, wo exportorientierte Firmen mit staatlicher Hilfe konzentriert angesiedelt wurden, gab es kräftige Innovationsschübe.
Eine für China noch bedeutendere Erfolgsgeschichte zeigt Shenzhen im Süden des Landes. Ende der 1970er Jahre war Shenzhen noch ein Fischerdorf an der Grenze zur damaligen britischen Kronkolonie Hongkong. Chinas Führung erklärte die Grenzregion zur Sonderwirtschaftszone mit massiven Steuerentlastungen und Investitionsbedingungen gezielt für exportorientierte Branchen. Shenzhen wurde zur "Werkbank der Welt" vor allem für die Herstellung von Sportartikeln, Plastikspielzeug und Billigelektronik. Heute kann es die auf zehn Millionen Einwohner angewachsene Metropole mit ihren vielen Tech-Firmen mit dem Silicon Valley aufnehmen.
Mit der Nähe zu Hongkong hatte Shenzhen sicher eine Sonderstellung. Zudem war es die erste Sonderwirtschaftszone in der damals noch streng planwirtschaftlich organisierten Volksrepublik. Andere Regionen in China nahmen sich Shenzhen zum Vorbild. Und das Schema wiederholte sich. Gab es in Danyang noch Anfang der 1980er Jahre nur eine Handvoll Hersteller von Brillengläsern, förderte die Lokalregierung gezielt die Ansiedlung weiterer Werkstätten, indem sie 1986 den ersten Markt nur für Brillengläser einrichtete. Später wurden die Marktstände mit städtischen Geldern überdacht, dann durch ein riesiges Einkaufszentrum ersetzt mit Hunderten von Brillengeschäften. Heute ist die Stadt voll solcher Geschäfte und Werkstätten.
Ökonomin Hanley spricht von "Übertragungseffekten durch Arbeitskräftemobilität": Mehrere Firmen für dasselbe Produkt konzentrieren sich auf einen Ort. Die Mitarbeiter der einen Firma spezialisieren sich. Die Ansiedlung weiterer konkurrierender Firmen hat keineswegs einen Verdrängungseffekt zur Folge. Im Gegenteil: Im Austausch mit Mitarbeitern anderer Firmen, die dasselbe Produkt herstellen, erwerben sie zusätzliche Kompetenzen und bewirken einen Wissenstransfer. Zudem steigt der Konkurrenzdruck - was weitere Innovationen hervorbringt. Zugleich ergeben sich Synergieeffekte etwa beim Bau von Infrastruktur etwa für Hafen- und Gleisanlagen für den Export.
Auch in anderen chinesischen Städten lässt sich diese Art der Konzentration beobachten. Die Stadt Yiwu etwa ist weltgrößter Exporteur von Weihnachtsartikeln. Dabei wird in China selbst Weihnachten gar nicht gefeiert.
Der Autor, früherer China-Korrespondent der "taz", schreibt für den "China.Table".
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