Bei Elektromobilität ist Amerika - trotz Tesla - ein Nachzügler. Doch nun soll das Land nach dem Willen von Präsident Joe Biden zur führenden E-Automobil-Nation aufsteigen. 370 Milliarden Dollar lässt sich die Regierung ihr Klimapaket kosten, die Autobranche wird dabei großzügig mit Subventionen bedacht. Doch den vollen Steuerrabatt für Käufer von 7.500 Dollar gibt es nur, wenn die Batterie in den USA hergestellt wurde und mindestens 40 Prozent der eingesetzten Metalle aus Nordamerika oder von Freihandelspartnern stammen. Bislang erfüllt diese Vorgaben nach Angaben des Verbandes Alliance for Automotive Innovation nicht ein einziges E-Modell auf dem US-Markt.
Die Ausschluss-Regelung ist kein Betriebsunfall, sondern soll die Batteriefertigung aus China nach Amerika holen. Ähnliches gilt für den Ausbau der Infrastruktur für Erneuerbare Energien. Klimapolitik ist für die Biden-Regierung wie jeder andere Politikbereich immer auch Standortpolitik. Die Ansiedlung von Unternehmen wird mit offenem Protektionismus forciert. In seiner ersten Woche im Weißen Haus unterzeichnete Biden den Erlass 14005 für eine Zukunft "Made in All of America by All of America's Workers". Nach seinem Willen sollen vom 600-Milliarden-Dollar-Beschaffungsetat des Staates möglichst nur Firmen profitieren, die in den USA produzieren. Auch das 2021 beschlossene Infrastrukturgesetz im Umfang von einer Billion Dollar bevorzugt heimische Firmen.
Ohnehin kommt kein globaler Konzern an dem lukrativen Absatzmarkt mit 330 Millionen Menschen vorbei. Doch nicht nur Riesen wie BMW, auch Mittelständler setzen zunehmend auf die geografische Nähe zum Kunden - und die 50 US-Bundesstaaten helfen mit finanziellen Anreizen nach. Die bundeseinheitliche Körperschaftsteuer hat die Trump-Regierung von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Auch geopolitische Faktoren spielen den USA bei der Standortpolitik in die Hände: Die Pandemie hat gezeigt, dass auf globale Lieferketten in der Krise kein Verlass ist. Zugleich wächst die Skepsis gegenüber China als "Fabrik der Welt". Russland ist nach dem Überfall auf die Ukraine im Westen geächtet.
Lego kündigte jüngst an, für eine Milliarde Dollar eine Fabrik in den USA zu bauen. 2006 hatte der Spielzeughersteller sein Werk in Connecticut geschlossen, doch zur neuen Strategie gehören kurze Wege in die wichtigsten Absatzregionen.
Ähnliches treibt die Halbleiterhersteller. Intel will für 20 Milliarden Dollar zwei Fabriken in Ohio hochziehen. Konkurrent TSMC aus Taiwan baut in Arizona. Der Chip-Entwickler Micron Technology will bis zum Ende der Dekade 40 Milliarden Dollar investieren. Man werde so 40.000 Jobs schaffen und den US-Anteil an der globalen Produktion von Halbleiterspeichern von zwei auf zehn Prozent steigern.
Angestoßen wurde der Investitionsplan von der Politik. In seltener Einigkeit beschlossen Demokraten und Republikaner im Kongress mit dem "Chips-Gesetz" eines der größten industriepolitischen Programme der Geschichte. Mit mehr als 50 Milliarden Dollar will der Staat eine Industrie zurückzuholen, die längst nach Asien abgewandert schien. Im Standortwettbewerb zeigt die immer noch größte Wirtschaftsmacht der Welt Zähne.
Die Autorin arbeitet als freie US-Korrespondentin in Washington.
Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper.