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Krisenvorsorge : Hortest du noch oder preppst du schon?

Sogenannte Prepper bereiten sich mit Vorräten und Trainings akribisch auf mögliche Notlagen vor. Was in der aktuellen Lage sinnvoll erscheint.

05.09.2022
2024-03-11T10:58:33.3600Z
5 Min

Tagelanger Stromausfall, leere Supermarktregale, kein Trinkwasser, Plünderungen, brennende Autos, Chaos auf den Straßen. Bei diesen Szenen denken die meisten Menschen wohl an Katastrophenfilme oder zumindest an etwas, das ganz weit weg passiert, aber nicht in Deutschland. Für einige sind solche Szenarien jedoch keine Fiktion. "Prepper" (vom englischen Wort für vorbereiten "to prepare") fürchten einen tatsächlichen Zusammenbruch der Infrastruktur, eine massive Umweltkatastrophe, einen Atomunfall oder einen kriegerischen Angriff. Diese Menschen wollen sich deshalb so gut wie möglich auf den "Ernstfall" vorbereiten. Wie und in welchem Umfang sie das tun, ist jedoch ganz unterschiedlich. Die Prepper-Szene ist groß und vielfältig, ihre Mitglieder reichen vom harmlosen Selbstversorger bis zum rechtsextremen Verschwörungstheoretiker.

Empfehlung: Trinkwasser und Lebensmitteln für mindestens zehn Tage vorrätig haben

Mit dem Beginn der Corona-Pandemie mit ihren Lieferengpässen und Lockdowns ist vielleicht jeder ein bisschen zum Prepper geworden - könnte man zumindest meinen. Schließlich fingen viele Leute an, Lebensmittel und Hygieneartikel zu horten. Und sogar die Bundesregierung empfiehlt bereits seit Jahren, sich mit einem Vorrat an Trinkwasser und Lebensmitteln für mindestens zehn Tage einzudecken. Das wären unter anderem pro Person 20 Liter Wasser, 3,5 Kilogramm Getreide oder Getreideprodukte, Brot, Nudeln, Kartoffeln oder Reis. Dazu noch 2,5 Kilogramm Obst und Nüsse und nochmal etwa genauso viel an Milch und Milchprodukten. Eine auf der Homepage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verfügbare 68-seitige Broschüre listet zudem auf, welche Ausrüstungsgegenstände man bereithalten sollte (etwa Batterien, Kerzen, Feuerzeuge, Feuerlöscher, Campingkocher und Decken).

Konserven, Gaskocher, Trockenfleisch: Prepper wissen, wie man am besten durch eine Krise kommt - welcher Art auch immer.   Foto: picture-alliance/dpa/Henning Kaiser

Das klingt alles schon recht aufwendig? Die wenigsten Menschen in Deutschland dürften nicht einmal einen Teil der aufgelisteten Dinge im Haus haben, geschweige denn so organisiert, dass man sie im Notfall schnell zur Hand hätte. Denn dies alles anzuschaffen, ist das eine, es zu verwalten, zu lagern, die Haltbarkeit im Blick zu behalten, das andere. Und das ist es dann auch, was den Klopapier-und-Nudel-Horter vom "echten" Prepper unterscheidet. Prepper packen Notfallrucksäcke, falls man schnell das Haus, die Stadt oder gleich das Land verlassen muss. Sie legen in Kellern oder in Verstecken im Garten oder Wald große Mengen an Vorräten an und beschäftigen sich mit dem Bau von Erdkühlschränken und unabhängiger Energieversorgung.

Prepperszene ist unübersichtlich

Das Internet bietet für Interessierte eine kaum zu überblickende Fülle an Informationen. Blogger laden Videos hoch, in denen sie ihre Vorbereitungen erläutern, in Foren werden Listen verschickt, mit deren Hilfe man sich vorbereiten soll. In Chatgruppen tauschen sich die Mitglieder über Equipment aus, beratschlagen sich über die besten Methoden zum Herstellen von Zahnpasta oder dem Haltbarmachen von Lebensmitteln und diskutieren die Wahrscheinlichkeiten von befürchteten Szenarios.

So unübersichtlich wie der Informationsfluss ist die Prepperszene selbst - und sie lässt viel Raum für den extrem rechten Rand. Autorin und Journalistin Gabriela Keller definiert die Gruppe in ihrem 2021 erschienenen Buch "Prepper. Bereit für den Untergang" so: "Auf der einen Seite stehen Normalbürger, die lediglich den Empfehlungen der Regierung folgen und Lebensmittel für zehn Tage im Schrank stehen haben. Auf der anderen hartgesottene Tag-X-Strategen, die Fässer mit Lebensmitteln im Wald vergraben und überzeugt sind, dass der Zusammenbruch der Gesellschaft unmittelbar bevorsteht."

Schmaler Grad zwischen Selbstversorgung und Selbstermächtigung

Bis zum Beginn der Corona-Pandemie war der breiten Öffentlichkeit tatsächlich eher nur die sehr extreme Seite der Prepper bekannt. Die Gruppe "Nordkreuz" beispielsweise, die Mitte 2017 durch polizeiliche Ermittlungen aufflog, bestand ausschließlich aus Rechtsextremen, die sich nicht nur auf den "Tag X" vorbereiteten, sondern auch aktiv auf einen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung hinarbeiteten. Sie horteten Waffen und Munition und führten "Feindeslisten" mit den Namen derer, die im Falle eines Umsturzes getötet werden sollten, darunter linke Politiker, Flüchtlingshelferinnen, Medienschaffende.


„Es gibt Tag-X-Strategen, die Fässer mit Lebensmitteln im Wald vergraben.“
Gabriele Keller, Autorin

All jene, die sich ausschließlich mit dem Preppen beschäftigen, um bei einem Stromausfall, einem extremen Winter oder bei einer Flut einige Tage versorgt zu sein, beklagen immer wieder, dass sie mit gefährlichen, rechtsextremen Fantasten wie den "Nordkreuz"-Mitgliedern in einen Topf geworfen würden. Doch auch wenn viele, vielleicht sogar die meisten Prepper hauptsächlich für sich und ihre Familie vorsorgen wollen, so ist der Grad zwischen Selbstversorgung und Selbstermächtigung recht schmal.

Vorsorge als solidarischer Akt

Vielen Mitgliedern der Szene ist es deshalb wichtig zu betonen - das liest und hört man in den vielen Beiträgen, die mittlerweile über die Prepper im Internet zu finden sind -, dass sie solidarisch seien. Weil er gut vorbereitet sei und im Notfall keine Hilfe brauche, erleichtere seine Vorbereitung es den Behörden, sich um jene zu kümmern, die es von sich aus nicht könnten oder nicht vorgesorgt hätten, sagt beispielsweise Prepper Konstantin in einem Video der "Bild"-Zeitung auf Youtube: "Jeder, der ein bisschen vorsorgt, entlastet das gesamte System in einer Krise."

Doch was, wenn der "Tag X" kommt, die Umweltkatastrophe, der Putsch, der Kriegsausbruch? Dann, so denken zumindest einige Prepper, werden die, die sich nicht wie sie auf den Notfall vorbereitet haben, gezwungenermaßen um die wenigen Ressourcen streiten und versuchen jene zu bestehlen, die vorbereitet sind.

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Die Konsequenz? Viele sehen die Notwendigkeit, sich und ihren Besitz zu verteidigen, zur Not auch mit Waffengewalt. Der Blogger Martin Gebhardt hat es auf seiner Webseite survival-compass.de noch so formuliert: "Steuert eine große Menschenmenge von Unbefugten auf deinen Unterschlupf zu, dann greifst du sofort zum Fluchtrucksack und startest den kontrollierten Rückzug." Doch in den unzähligen Telegram-Gruppen, Foren und Youtube-Videos werden auch andere Meinungen laut. Dort tauscht man sich offen über Waffen aus; in vielen Fällen über Messer zum Jagen und Beile zum Holzhacken, aber auch über scharfe Waffen.

"Knallen alles ab "

Ein Mitglied der Telegram-Gruppe "Prepper_Deutschland_Krisenvorsorge" etwa postet unter dem Schlagwort #Homedefence einen Link zu einem Youtube-Video mit dem Titel "Luftdruck-Harpunen knallen alles weg". In diesem erklärt der Verfasser, warum sich Harpunen (per Definition eigentlich Wassersportgeräte) auch als Waffe an Land eignen würden und demonstriert, welchen Schaden die Pfeile anrichten können. Die Inspiration zu dem Video, wie der Verfasser erläutert, stammt aus Filmen über die Zombie-Apokalypse.