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Bürgergeld : Zwei Jahre Schonfrist für mehr Vertrauen

Karenzzeit, Vertrauenszeit, Kooperationsplan, höhere Regelsätze und weniger Sanktionen.

17.10.2022
2024-03-14T15:21:45.3600Z
5 Min

Die Bundesregierung verweist in ihrem Bürgergeld-Gesetzentwurf zwar auf die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme. "Zugleich haben die außergewöhnlichen Herausforderungen, mit denen sich Staat und Gesellschaft in Folge des Kriegs in der Ukraine konfrontiert sehen, es vielen Menschen in den sozialen Mindestsicherungssystemen erschwert, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten", heißt es im Entwurf.

Foto: picture alliance/Zoonar/stockfotos-mg

Das "Bürgergeld" soll das umstrittene Hartz-IV ersetzen.

Deshalb sei eine Erhöhung der monatlichen Regelsätze dringend geboten, schreibt die Regierung und plant: für Alleinstehende ab 1. Januar 2023 einen monatlichen Regelsatz von 502 Euro (bisher 449 Euro); für volljährige Partner 451 Euro (bisher 404 Euro), für Kinder, gestaffelt nach Alter, 318 Euro bis 420 Euro (bisher 285 bis 376 Euro). Die Berechnung der Regelsätze soll künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden.

Darüber hinaus begründet die Regierung die Initiative mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die sich seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 grundlegend geändert habe: Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte, würden vielerorts gesucht, gleichzeitig würden Langzeitarbeitslose zu oft von dieser Entwicklung nicht profitieren. Daher solle das Bürgergeld sich stärker als das bisherige System auf Qualifizierung und Weiterbildung der Arbeitssuchenden konzentrieren.

Karenzzeit und Schonvermögen

Konkret sieht der Entwurf unter anderem vor, in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten zu lassen, damit sich die Leistungsberechtigten stärker auf Arbeitssuche und Weiterbildung konzentrieren können. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen in dieser Zeit in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden. Auf eine Prüfung des Vermögens soll verzichtet werden, "sofern es nicht erheblich ist", also 60.000 Euro für eine Person beziehungsweise 30.000 für jede weitere im Haushalt lebende Person nicht übersteigt. Nach Ablauf der Karenzzeit soll es eine entbürokratisierte Vermögensprüfung mit höheren Freibeträgen geben. Versicherungsverträge für die Altersvorsorge werden nicht als Vermögen berücksichtigt.

Kooperationsplan soll Eingliederungsvereinbarung ablösen

Vorgesehen ist, die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan abzulösen, der von den Leistungsberechtigten und den Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeitet wird. Dieser Plan dient dann als "roter Faden" im Eingliederungsprozess und wird als Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes bezeichnet. Mit Abschluss des Kooperationsplans soll eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten. In diesem Zeitraum soll ganz besonders auf Vertrauen und Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt werden.

Sanktionen sollen abgemildert werden

Auch das Bürgergeld kennt Sanktionen, wenn auch deutlich abgemildert. So soll es im ersten halben Jahr des Bürgergeld-Bezugs, also der "Vertrauenszeit", bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen geben. Bei wiederholten Terminversäumnissen und nach vorheriger Aufforderung, den Mitwirkungspflichten nachzukommen, sollen sie aber möglich sein. Härtere Sanktionen für unter 25-Jährige sollen abgeschafft werden. Leistungen dürfen nur noch um maximal 30 Prozent gekürzt werden. Höhere Kürzungen hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 untersagt. Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen nicht mehr sanktioniert werden.

Job und Weiterbildung

Abgeschafft werden soll der "Vermittlungsvorrang in Arbeit". Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung (Coaching) soll jenen Leistungsberechtigten helfen, "die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, eine Arbeit aufzunehmen". In Zeiten einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung gibt es einen Zuschuss von 150 Euro im Monat.

Sozialer Arbeitsmarkt

Die Regelung zum "Sozialen Arbeitsmarkt" wird entfristet. Sie war mit dem Teilhabechancengesetz 2019 eingeführt worden, um besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen. Ziel ist, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang ist die Regelung bis zum 31. Dezember 2024 befristet.

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Auszubildende, Schüler und Studierende, die Bürgergeld beziehen, sollen mehr vom Hinzuverdienten behalten. Für alle anderen gilt: Wer zwischen 520 Euro und 1.000 verdient, dessen Freibeträge werden auf 30 Prozent angehoben. Ferienjobs von Jugendlichen bis 25 Jahren gelten nicht mehr als Einnahmen, die verrechnet werden müssen.

Das Bürgergeld soll insgesamt unbürokratischer und digital zugänglich sein, mit einer einfachen Beantragung. Mit einer Bagatellgrenze von 50 Euro für Rückforderungen soll die Anzahl der Bescheide reduziert werden.