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Bundesversammlung mit Masken: Frank-Walter Steinmeier nimmt als alter und neuer Bundespräsident die Glückwünsche im Paul-Löbe-Haus entgegen.

Bundesversammlung unter Corona-Bedingungen : Steinmeier als Bundespräsident wiedergewählt

Der alte Bundespräsident ist auch der neue: An einem ungewöhnlichem Ort warb Frank-Walter Steinmeier nachdrücklich für "Vertrauen in Demokratie".

21.02.2022
2024-01-29T17:15:00.3600Z
4 Min

Wirkliche Spannung bieten konnte diese 17. Wahl eines Bundespräsidenten nicht; zu groß war dafür mit SPD, CDU, CSU, Grünen, FDP und auch dem Südschleswigschem Wählerverband (SSW) die Zahl derer, die eine Wiederwahl von Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier von vornherein unterstützten. Schon im ersten Wahlgang entfielen auf ihn 1.045 von 1.437 abgegebenen Stimmen, mit knapp 73 Prozent erreichte er damit ungeachtet dreier Gegenkandidaturen fast eine Dreiviertelmehrheit und erwartungsgemäß weit mehr als die erforderlichen 737 Stimmen: Das alte Staatsoberhaupt ist auch das neue.

In Erinnerung bleiben wird seine Wiederwahl nicht zuletzt wegen der ungewöhnlichen Bilder, für die schon der ungewohnte Versammlungsort sorgte. Mit fast 1.500 Mitgliedern war es die größte Bundesversammlung in der Geschichte der Bundesrepublik, die am vorletzten Sonntag im Paul-Löbe-Haus des Bundestages zusammenkam.

Coronabedingt galt das Abstandsgebot

Das Verfassungsorgan, dessen einzige Aufgabe es ist, alle fünf Jahre das Staatsoberhaupt zu wählen, besteht laut Grundgesetz aus den derzeit 736 Bundestagsabgeordneten "und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden", zusammen also aus 1.472 Wahlleuten. So viele Menschen unter Einhaltung eines pandemiebedingten Sicherheitsabstandes von mindestens 1,5 Metern zusammenzubringen, hätte selbst die üppigen Raumverhältnisse im Plenarsaal des Bundestages im Berliner Reichstagsgebäude überfordert, dem seit 1994 angestammten Tagungsort der Bundesversammlung.

Daher wurde auf das benachbarte Paul-Löbe-Haus ausgewichen, das normalerweise Bundestagsausschüsse und Büros beherbergt; ein rund 200 Meter langer Bau mit nach innen offenen Stockwerken, deren seitliche Flure sich zur großen Innenhalle hin öffnen. Die Ikone moderner Architektur bot ein ungewohntes, aber würdiges Ambiente, in dem sich diese Bundesversammlung pünktlich um 12.00 Uhr zusammenfand, verteilt auf mehrere Etagen. Alle Teilnehmer mussten zudem einen aktuellen Corona-Test vorlegen und eine FFP-2-Maske tragen, auch das ein zu anderen Zeiten kaum denkbarer Anblick.

Viele Promis unter den Wählenden

Von den 1.472 Mitgliedern der Versammlung konnten CDU und CSU 448 stellen, die SPD 387, die Grünen 233, die FDP 155 und der SSW zwei, während auf die AfD 151 entfielen, auf Die Linke 71 und auf die Freien Wähler 18; hinzu kamen sieben Fraktionslose. Freilich nahmen nicht alle an der Wahl teil, so fehlten insgesamt 28 Bundestagsabgeordnete entschuldigt, etwa in einem Fall aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes. Wie bei früheren Bundesversammlungen auch waren dagegen zahlreiche Prominente des öffentlichen Lebens jenseits der Politik vertreten, vom Fußball-Bundestrainer "Hansi" Flick bis zum Virologen und Corona-"Erklärer" Christian Drosten, aber auch Angehörige von Opfern rechtsterroristischer Mordanschläge. Und nicht zuletzt fand mit Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel die wohl prominenteste Ruheständlerin der Republik für diesen Tag als Wahlfrau auf die politische Bühne zurück.


„Demokratie ist Versprechen und Erwartung zugleich.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Gewählt wird der Bundespräsident laut Grundgesetz ohne Aussprache, und so konnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bereits um 14.26 Uhr das Ergebnis verkündigen. Die von den Freien Wählern aufgestellte Astrophysikerin Stefanie Gebauer wollten 58 Mitglieder der Bundesversammlung an der Staatsspitze sehen, die noch nie mit einer Frau besetzt war. Der von der Linken nominierte Mediziner Gerhard Trabert erhielt 96 Stimmen und der für die AfD angetretene Ökonom Max Otte, der sich mit seiner Kandidatur ein Parteiausschlussverfahren der CDU eingehandelt hat, 140 Stimmen. 86 Mitglieder der Bundesversammlung enthielten sich, zwölf Stimmen waren ungültig.

Steinmeier: Demokratie ist "Versprechen und Erwartung zugleich"

Die Wahlfrauen und Wahlmänner der Bundesversammlung repräsentieren ein breites gesellschaftliches Spektrum: Auch die Musikerin Lady Bitch Ray ist dabei.   Foto: picture alliance / EPA

Steinmeier, der in seiner anschließenden Ansprache ebenso wie Bärbel Bas in ihrer Eröffnungsrede eindringlich zur Beilegung der Kriegsgefahr in Osteuropa aufrief, für die er Russland verantwortlich machte, bekannte sich dabei "ohne jede Zweideutigkeit" zu den Bündnisverpflichtungen Deutschlands. Zugleich warb er nachdrücklich für "Vertrauen in Demokratie", das am Ende nichts anderes sei "als Vertrauen in uns selbst". Im Grundgesetz stehe schließlich nicht "Alles Gute kommt von oben", sondern: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Das sei das Versprechen der Verfassung an die Bürger, in dem auch das Versprechen zwischen den Bürgern liege, Verantwortung zu übernehmen. Demokratie, betonte der Bundespräsident, sei "Versprechen und Erwartung zugleich", eine "Zumutung". Dazu Mut zu machen, sei seine Aufgabe.

Auch die Bundestagspräsidentin mahnte, trotz aller Krisen nicht das Vertrauen in die eigene Kraft zu verlieren: "Lassen wir uns nicht einreden, dass wir anstehende Probleme nicht lösen können". Demokratie lebe von Gemeinsinn und Offenheit, fügte Bas hinzu und warb dafür, das Verbindende zu suchen. "Zusammenführen" sei auch die entscheidende Aufgabe der Bundespräsidenten. Deren Machtbefugnisse seien beschränkt, über die Macht des Wortes verfügten sie uneingeschränkt. "Begegnungen und Austausch sind ihre Formate. Sie können in ihrem Amt versöhnen", sagte die Parlamentspräsidentin. Punkt 15.00 Uhr schloss sie die Bundesversammlung.