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Glosse : Wo der Bot es krachen lässt

Warum sollte sich der Mensch noch um die Zukunft sorgen? Künstliche Intelligenz wird schon alles regeln und die Welt verbessern. Oder?

03.04.2023
2023-11-27T10:28:02.3600Z
2 Min

Noch nie hat es so viele Einser-Abiturienten gegeben: Ein Hoch auf die Schule, die Lehrer, auf die Intelligenz der Schüler! Das strahlende Bild wird freilich leicht eingenebelt, wenn bei Bildungstests unsere Elite-Kandidaten Goethe für eine Netflix-Serie halten und Geschichtsstudenten Heinrich V. als Heinrich Ffff bezeichnen, weil römische Zahlen in der Schule nicht dran waren. Wir müssen uns aber keine Sorgen machen, denn zur natürlichen Intelligenz gesellt sich die Künstliche Intelligenz (KI). Manche halten das für Science-Fiction, andere für die Rettung.

Dazu muss man wissen, dass der Internetmensch nicht nur immer schlauer wird, sondern auch immer raffinierter. Stellen Sie sich einen Abgeordneten vor, der als öder Redner bekannt ist und plötzlich eine aufwühlende Ansprache hält wie einst Martin Luther King oder wenigstens wie Jakob Mierscheid. Der Plenarsaal tobt, Saaldiener haben Tränen in den Augen. Wie hat er das gemacht?


Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute aus dem Netz kommt?


Vielleicht hat er im Internet das Programm ChatGPT gefunden, das uns Arbeit und Ideen abnimmt. KI macht aus Stroh Gold, der Chatbot lässt es rhetorisch so krachen, dass Schriftsteller nicht mal mehr Postkarten schreiben wollen. Auch Anwälte, Lehrer und Berufskriminelle erliegen dem Zauber des KI-Algorithmus. Das hätte Goethe gefallen. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute aus dem Netz kommt? Fischige Glossen, hippe Papstbilder, eleganter Bankbetrug, künftig alles ganz leicht, alles KI!

Mein hochbegabter Neffe hat mir unlängst erklärt, dass, abgesehen vom Klimawandel, eigentlich alles immer besser wird. Alles! Wie kann man schon in jungen Jahren so weise sein.