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Gastkommentare : Pro und Contra: Deutsche Olympia-Bewerbung?

Sollte sich Deutschland wieder um Olympische Spiele bemühen? Ein Pro und Contra von Martin Kessler und Johannes Kopp.

03.04.2023
2024-03-15T12:44:14.3600Z
4 Min

Pro

Ideeller Nutzen

Foto: RP
Martin Kessler
ist Redakteur bei "Rheinische Post" in Düsseldorf.
Foto: RP

Die Deutschen und Olympia - das ist eine wechselvolle Beziehung. Zweimal fanden hierzulande die wichtigsten Wettkämpfe des Sports statt. Berlin 1936 war die Propagandashow der schlimmsten Diktatur in der Menschheitsgeschichte. Die Spiele in München 1972 begannen hoffnungsvoll als Schaufenster einer lebendigen Demokratie und endeten in einem Blutbad, als ein palästinensisches Terrorkommando die israelische Mannschaft entführte und bei einer dilettantischen Befreiungsaktion alle Geiseln ums Leben kamen.

Sollen nun in Deutschland erneut Olympische Spiele stattfinden? Ja, das sollen sie. Die Deutschen sind eine sportbegeisterte Nation, gute Organisatoren und herzliche Gastgeber. Das Land bietet zugleich die Gewähr dafür, dass solche Spiele nicht in Gigantomanie ausarten, ökologisch nachhaltig bleiben und der Welt ein freundliches Gesicht zeigen. Die Demokratie hat sich als stabil erwiesen. Die Weltoffenheit der Menschen zeigte sich nicht zuletzt in der großzügigen Aufnahme von Geflüchteten im Jahr 2015 und jetzt im Ukraine-Krieg. Der ideelle Nutzen solcher Spiele für Deutschland und die Welt wäre jedenfalls größer als die Kosten. Die müssen bescheiden kalkuliert und vorhandene Einrichtungen genutzt werden.

Eine Voraussetzung für die Ausrichtung der Spiele - insbesondere mit Blick auf 2036 - sollte allerdings erfüllt sein. Die Bevölkerung muss mehrheitlich hinter dieser Idee stehen. Deshalb sollte es einen Volksentscheid geben. Eine gute Idee wäre auch, den Austragungsort auf mehrere Städte wie etwa das Ruhrgebiet oder Berlin und München zu verteilen. Ist das alles erfüllt, muss die Deutschen noch nicht einmal die Zahl 2036 - 100 Jahre nach den NS-Spielen - bange machen.

Contra

Nichts geändert

Foto: Privat
Johannes Kopp
ist Redakteur bei "die tageszeitung" in Berlin.
Foto: Privat

Alles spricht für ein zukunftsweisendes rauschendes Sportfest in Deutschland. Eines, das den Ausrichtern viele Freiheiten lässt, die Athleten in den Mittelpunkt stellt, Nähe zu ihnen ermöglicht und dabei unterschiedlichste Menschen verbindet - sozial und ökologisch durchdacht ist es sowieso. Nur die Olympischen Spiele sind nichts von alledem. Die Hüter der Spiele, das Internationale Olympische Komitee, wälzen die immer weiter steigenden Kosten des Events durch Knebelverträge auf die Ausrichter ab und streichen die Gewinne ein. Das hat sich trotz wachsenden Geredes über Nachhaltigkeit und mehr Bescheidenheit nicht geändert.

Nach den Spielen von München 1972 sind vier deutsche Bewerbungen gescheitert. Das rührt am nationalen Stolz. Eigentlich wäre man wieder einmal an der Reihe, so ist es auch aus dem organisierten deutschen Sport zu vernehmen. Und wir könnten die Spiele doch wieder besser machen.

Bevor man ein fünftes Mal gegen die Wand läuft, sollte man sich einmal intensiver mit dem Hindernis beschäftigen. Als im vergangenen Sommer bei den European Games in München eine immense Zuschauerbegeisterung für olympische Sportarten zu spüren war, wollten einige sogleich wieder Olympiabewerbungspläne auf den Tisch legen. Die Idee, dass die Menschen gerade vom Charme einer eben nicht völlig kommerzialisierten Veranstaltung angezogen waren, kam ihnen gar nicht.

Das wäre vielleicht ein Weg an der Wand vorbei. Alternative Sportfeste, die eben nicht am Tropf und den Zwängen einer gigantischen Geldmaschine hängen, zum Erfolg führen und damit eine Konkurrenz zum olympischen Sportsystem aufzubauen. Von innen lässt es sich schwerlich verändern.

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