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UKRAINE
Alexander Heinrich
»Russland tritt das Völkerrecht in die Tonne«

Bundestag will die Verantwortlichen von Kriegsverbrechen wie in Butscha zur Rechenschaft ziehen

Ein Jahr nach dem Massaker im Kiewer Vorort Butscha hat sich der Bundestag parteiübergreifend dafür stark gemacht, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. "Es geht heute und künftig vor allem um eins: Gerechtigkeit für die Opfer und Überlebenden", sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Koalition. Die größte Schwächung des internationalen Völkerstrafrechts sei es, wenn Kriegsverbrechen ungesühnt blieben, sagte Amtsberg.

Sie erinnerte wie mehrere Rednerinnen und Redner nach ihr daran, dass nach der zwischenzeitlichen Besetzung Butschas und dem Abzug russischer Truppen vor einem Jahr mehr als 400 getötete Zivilisten gefunden wurden, die teils offensichtlich gefoltert und mit Schüssen in den Kopf exekutiert worden waren. Russland streitet die Verantwortung für diese Taten ab, im staatlich gelenkten russischen Fernsehen ist bestritten worden, dass es diese Verbrechen überhaupt gab.

Knut Abraham (CDU) sagte, dass Verbrechen wie in Butscha nicht zufällig geschähen, sondern systematische und gezielt geplante tödliche Operationen seien, um Angst und Terror zu verbreiten und zu demonstrieren, "dass Russland zu allem fähig ist, wenn es darum geht, die Ukraine zu unterwerfen". Abraham unterstrich, dass der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zwar schwer umzusetzen sei und dennoch bereits jetzt weltweit eine Wirkung entfalte. Nötig sei zusätzlich ein internationales Sondertribunal.

Unterstützung für die Idee eines Sondertribunals kam von Frank Schwabe (SPD), der wie sein Vorredner darauf hinwies, dass Putin den in Butscha beteiligten Einheiten auch noch Orden verliehen habe: "Es ist die Krone des Zynismus." Man sei es den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, dass "Menschheitsverbrechen nicht ungesühnt und ungeahndet" blieben.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erinnerte mit Blick auf die "brutale russische Willkür" daran, dass nach dem Genfer Abkommen von 1949 Zivilisten auch in bewaffneten Konflikten unter allen Umständen mit Menschlichkeit zu behandeln seien. "Russland tritt diese Konvention genauso in die Tonne wie die Vereinten Nationen und das ganze Völkerrecht." Es sei richtig, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Das Land führe diesen Kampf, weil es zwischen "Mördern und ihren Opfern und den Hinterbliebenen der Opfer keinen Kompromiss" geben könne.

Kathrin Vogler (Die Linke) sprach sich gegen ein Sondertribunal aus, weil dies den Strafgerichtshof in Den Haag schwächen würde. Vogler wandte sich gegen die Lieferung immer stärkerer Waffen an die Ukraine. Es müsse darum gehen, diesen mörderischen Krieg schnell zu beenden. "Dafür brauchte es politischen Willen, und den kann ich bei der Bundesregierung nicht erkennen."

Jürgen Braun (AfD) kritisierte die Energieabhängigkeit von Russland und die geopolitische Blindheit, in die Vorgänger-Bundesregierungen unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Deutschland geführt hätten. Der Atomausstieg 2011 sei ein "erster Schritt zum russischen Einfall in die Ukraine" gewesen. Die heutige Bundesregierung habe aus den Fehlern nichts gelernt und halte weiter an der "Ächtung der Kernenergie" fest.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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