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Foto: picture-alliance/dpa/Alexander Welscher
Bundeswehrsoldaten während des Manövers "Fast Griffin" in Litauen im Oktober 2022.

Jahresbericht des Wehrbeauftragten : Personalfragen

Die Wehrbeauftragte kritisiert den Zustand der Bundeswehr. Verteidigungsminister Pistorius kündigt Reform des Soldatengesetzes an.

24.04.2023
2024-03-15T12:37:00.3600Z
6 Min

Ausrüstung, Personal, Geld - die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Kurz und bündig hatte die Wehrbeauftragte Eva Högl den Zustand der deutschen Streitkräfte in ihrem "Jahresbericht 2022" auf den Punkt gebracht, über den Bundestag am vergangenen Donnerstag erstmals beriet.


„Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Das ist bekannt; aber es wird nicht dadurch besser, dass es bekannt ist.“
Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages

Und in der Debatte legte Högl noch einmal nach: "Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Das ist bekannt; aber es wird nicht dadurch besser, dass es bekannt ist." Anders ausgedrückt: Die Politik muss endlich handeln.

Die vom Bundestag im vergangenen Jahr bewilligten 100 Milliarden Euro für das Sondervermögen müssten zügig für die Beschaffung der benötigten Ausrüstung ausgegeben werden - vor allem für jene Waffensysteme, die die Bundeswehr aus ihren Beständen an die Ukraine abgegeben habe.

Mehr Einstellungen, weniger Bewerber

Sorgen bereitet die Wehrbeauftragte aber vor allem die Personallage in der Truppe. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Einstellungen zwar einerseits um zwölf Prozent gestiegen, gleichzeitig aber die Zahl der Bewerbungen um elf Prozent gesunken. Und rund 21 Prozent der Rekruten brachen ihre Dienstzeit innerhalb der ersten sechs Monate wieder ab.

Deshalb sei es ein "gewaltiger Kraftakt", um die Truppenstärke der Bundeswehr wie geplant von aktuell rund 183.000 auf 203.000 Soldaten bis 2031 zu erhöhen, warnte Högl.

Sexuelle Übergriffe und Rechtsextremismus

Zu den problematischen Personalfragen gehören aber eben auch jene Vorkommnisse, mit denen die Truppe selbst immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt: Sexuelle Übergriffe und Rechtsextremismus. Im vergangenen Jahr habe sie 34 Eingaben wegen Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung erhalten, führte Högl aus. Insgesamt seien 357 meldepflichtige Ereignisse zu verzeichnen gewesen: "Ein Drittel der Vorgänge geschehen unter Alkoholeinfluss, und 80 Prozent der Betroffenen sind Frauen." Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle in der Truppe sei im vergangenen Jahr zwar gesunken, führte Högl aus, aber die disziplinarischen Verfahren dauerten zu lang. "Ich hoffe sehr, dass die Änderung des Soldatengesetzes dieses Jahr hier beschlossen wird, wodurch Entlassungen vereinfacht werden."

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Zumindest an diesem Punkt konnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der Wehrbeauftragten und dem Bundestag eine sehr konkrete Ankündigung machen.  Er werde den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause oder sofort im Anschluss in die parlamentarische Beratung einbringen. "Wir werden die Bedingungen verbessern, damit diejenigen, die nachweislich gegen unsere Verfassung arbeiten und sie ablehnen, schneller aus dem Dienst entfernt werden können", sagte Pistorius. Deutlicher vager fiel seine Ankündigung aus, die Strukturen im Verteidigungsministerium reformieren zu wollen: "Wir schaffen keine zusätzliche Bürokratie, richten nicht noch mehr Posten ein. Wir schaffen stattdessen ein Instrument, das die Stärken des Hauses besser zur Wirkung bringt: gemeinsames Denken und Handeln, Führen und Entscheiden."

Das übergeordnete Ziel der Neuaufstellung sei es, die Zeitenwende "schneller und kraftvoller" umzusetzen, sagte Pistorius. Um so deutlicher betonte der Verteidigungsminister, dass er weiterhin an einer Erhöhung des Wehretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes gemäß der Verabredung in der Nato festhalte.

Unterstützung von der Union

Dafür bekommt Pistorius selbst aus den Reihen der Unionsfraktion Unterstützung. Allerdings erzähle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "das Märchen", alle Probleme der Bundeswehr mit dem Sondervermögen beseitigen zu können, monierte Kerstin Vieregge (CDU). Nur so sei es erklärlich, dass die Koalition den regulären Verteidigungshaushalt für das laufende Jahr sogar um 300 Millionen Euro gekürzt habe.

Die Grünen-Abgeordnete Merle Spellerberg warnte allerdings, Geld alleine werde de Bundeswehr für den Nachwuchs nicht attraktiver machen. Es brauche effiziente Strukturen sowie gute Lebens.- und Arbeitsverhältnisse für die Soldaten und ihre Angehörigen.

Linke kritisiert Rekrutierung Minderjähriger

Ali Al-Dailami (Linke) wiederum warf der Bundesregierung vor, sie verzichte trotz einer Rüge durch die Vereinten Nationen nicht darauf, weiterhin Minderjährige für die Bundeswehr anzuwerben. So seien im vergangenen Jahr 1.773 unter 18-Jährige rekrutiert worden. Die geplante Aufstockung der Bundeswehr werde "auf dem Rücken von Minderjährigen" ausgetragen.

Der AfD-Parlamentarier Hannes Gnauck verortet die Personalprobleme der Truppe an ganz anderer Stelle. Die Koalition wolle "die eigene Parteiklientel in die Uniform stecken."Sie wolle "den politisch korrekten queerfeministischen Aktivisten in Uniform. Sie wollen die Bundeswehr als cooles Start-up mit Genderstern, Regenbogenfähnchen und ein bisschen Flecktarn." Das aber sei "keine Armee", befand Gnauck.

Der SPD-Abgeordneten Johannes Arlt hielt Gnauck entgegen, "ein Soldat, der vor seinem Einzug in den Bundestag ein Uniformtrageverbot und ein Verbot der Betretung von Kasernen wegen rechtsextremistischer Umtriebe" bekommen habe, verfüge über keine Kompetenz. Und Marcus Faber (FDP) attestierte Gnauck, er habe "ein Bild vom Rechtsextremismus in der Bundeswehr" vermittelt.