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Untersuchungsausschuss : Die Bank-Kontakte des Kanzlers sollen auf den Prüfstand kommen

Im Steuerskandal um die Warburg-Bank drängt die Unionsfraktion Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Aufklärung.

24.04.2023
2024-03-05T10:36:03.3600Z
6 Min
Foto: picture alliance/EPA-EFE | CLEMENS BILAN

Der Union reichen die Aussagen von Olaf Scholz, hier noch als Bundesfinanzminister bei einer Befragung zum Cum-Ex-Skandal im Bundestag nicht. Sie fordert einen weiteren Untersuchungsausschuss.

Die Große Koalition gab sich überzeugt: "Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Bundestages "war nicht erforderlich", schrieben Union und SPD in den am 20. Juni 2017 fertiggestellten Abschlussbericht des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses.

"Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern und unter ihnen nicht zuletzt das Bundeszentralamt für Steuern haben in den letzten Jahren vorbildlich Cum-Ex-Fälle bearbeitet und bereits ausgezahlte Steuern zurückgeholt beziehungsweise eine Auszahlung der Kapitalertragssteuer nicht vorgenommen", heißt es in dem Bericht. Der eigentliche Cum-Ex-Krimi stand jedoch erst noch bevor.

Ein Tagebuch enthält Belastendes

So soll sich der Hamburger Warburg-Bankier Christian Olearius ab 2016 bemüht haben, den durchaus vorhandenen behördlichen Rückforderungseifer zu bremsen und Cum-Ex-Millionen für die Warburg-Bank zu sichern statt eine Rückzahlung an das Finanzamt zu veranlassen. Es ging um einen dreistelligen Millionenbetrag.

Olearius behauptet in Tagebucheinträgen, auch mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gesprochen zu haben. Scholz, heute Bundeskanzler, räumte im Finanzausschuss des Bundestages sogar ein Treffen am 10. November 2017 ein, konnte sich aber später weder an dieses noch an weitere Treffen mit Olearius erinnern.


„So funktioniert das System Scholz: Spuren verwischen und Nebelkerzen werfen.“
Lisa Paus (Grüne) im Jahr 2017

Das Verhalten von Scholz war damals für die in der Opposition befindlichen Grünen untragbar. Von Lügen sprach etwa die damalige finanzpolitische Sprecherin Lisa Paus, heute Familienministerin: "So funktioniert das System Scholz: Spuren verwischen und Nebelkerzen werfen." Bei einer Befragung im Hamburger Untersuchungsausschuss vor einer Woche wiederholte Paus diese Äußerungen nicht mehr.

Union fordert weiteren Untersuchungausschuss

Inzwischen sitzt die CDU/CSU auf der Oppositionsbank und hat zur Tätigkeit der Finanzbehörden ein differenzierteres Verhältnis entwickelt. Jetzt soll ein weiterer Untersuchungsausschuss des Bundestages klären, wer die Verantwortung dafür trägt, dass die Hamburger Finanzbehörde anders als die Finanzbehörden aller anderen Bundesländer auf Rückforderungen von erstatteten Kapitalertragsteuern verzichtet habe.

Die Warburg-Bank habe diese Gelder vom Staat zu Unrecht erhalten, stellte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Mathias Middelberg fest.Das Verhalten von Scholz in der Steueraffäre rund um die Warburg-Bank wirft nach Ansicht von Middelberg erhebliche Fragen auf. Diese Fragen hätten bisher weder in der Regierungsbefragung des Kanzlers im Bundestag noch in schriftlichen Anfragen an ihn geklärt werden können.

Zugriff auf andere Materialien erhofft

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An einer von der Union beantragten Aktuellen Stunde habe Scholz nicht einmal teilgenommen. "Es bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Weg zur Aufklärung zu nehmen", begründet Middelberg den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses.

Zwar gibt es seit über zwei Jahren in der Hamburger Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss, der sich ebenfalls bemüht, Licht in die Causa Warburg, die Rolle von Scholz und des damaligen Finanzsenators und heutigen Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) zu bringen. Doch hat ein Untersuchungsausschuss des Bundestages weit mehr Möglichkeiten.

Darauf weist etwa die Hamburger Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexpertin Franziska Hoppermann (CDU) hin. "Hamburg hat nicht den Zugriff auf andere Bundesländer; daher vermuten wir, dass wir Zugriff auf andere Materialien bekommen. Das eröffnet uns andere Recherchemöglichkeiten", so Hoppermann.

Ein Ausschuss des Bundestages hat mehr Möglichkeiten

Für den Untersuchungsausschuss des Bundestages sind Gerichte und Behörden zur Rechts - und Amtshilfe verpflichtet. Auch hat ein Untersuchungsausschuss das Recht, das Erscheinen von Zeugen zu erzwingen. Bei ungerechtfertigter Zeugnisverweigerung kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden oder sogar ein Zeuge in Haft genommen werden. Falschaussagen vor einem Untersuchungsausschuss sind mit Strafe bedroht. Somit gilt ein Untersuchungsausschuss im Bundestag als das schärfste Schwert, das der Opposition zur Verfügung steht, wenn sie denn das notwendige Quorum von einem Viertel der Abgeordneten zusammenbekommt. Das ist für die CDU/CSU-Fraktion aufgrund ihrer Stärke kein Problem.

Bei den Aufklärungsbemühungen soll die Frage geklärt werden, warum die Hamburger Finanzbehörde ihre Haltung zu Cum-Ex verändert hat. Ursprünglich war man auch dort der Ansicht, dass Cum-Ex-Gelder zurückgeholt werden müssten. Doch auf einmal gab es Bedenken und eine Kehrtwende. Daher soll der Untersuchungsausschuss der Frage nachgehen, ob Hamburg im Jahr 2016 das einzige der 16 Bundesländer war, welches die Rückforderungen von zu Unrecht erhaltenen Kapitalertragsteuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften verjähren lassen wollte und was die Gründe dafür waren.

Im Zentrum steht die Frage nach Scholz' Rolle

Geklärt werden soll auch, ob Hamburg 2017 erst durch das Bundesministerium der Finanzen zu einer Geltendmachung veranlasst worden und aus welchem Anlass das Ministerium tätig geworden war. Untersucht werden sollen die Kontakte zwischen Vertretern der Warburg-Bank und Scholz, Tschentscher sowie weiteren Hamburger Bediensteten. Kontakte des damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und des früheren Innensenators Alfons Pawelczyk (SPD) im Zusammenhang mit dem Steuerfall Warburg sollen ebenfalls Thema sein. Auch soll der Ausschuss der Frage nachgehen, ob es Spenden von Warburg an die Hamburger Regierungsparteien gab.

Zur Rolle des heutigen Bundeskanzlers heißt es in dem Antrag, dass sich Scholz am 1. Juli 2020 in einer Aussage vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages konkret an ein Treffen mit Olearius, am 10. November 2017 habe erinnern können. Das sei auch im Protokoll der Sitzung so festgehalten. Kurz nach dem 1. Juli 2020 seien zwei weitere Treffen von Scholz und Olearius bekannt geworden sowie ein von Scholz initiiertes Telefonat mit Olearius.

In einer weiteren Befragungen am 9. September 2020 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages sowie am 30. April 2021 im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft habe Scholz dann jedoch erklärt, dass er sich nicht an die Treffen erinnere. Nach Ansicht der Unionsfraktion wirft dieser "rasante und umfassende Gedächtnisverlust des Bundeskanzlers" die Frage auf, ob es um einen "tatsächlichen oder taktischen Erinnerungsverlust" gehe und ob Scholz der Öffentlichkeit, den Abgeordneten des Bundestages und denen der Hamburger Bürgerschaft die Wahrheit gesagt habe.


„Olaf Scholz lügt.“
Fabio De Masi (Linke)

Unbeirrt geben sich zwei damalige Oppositionsabgeordnete. Gerhard Schick, einst Finanzexperte der Grünen und Initiator der Bürgerbewegung Finanzwende, nennt die Erinnerungslücken von Scholz unglaubhaft, "und deshalb ist es richtig und wichtig, dass die CDU/CSU-Fraktion hier weiterbohrt." In Hamburg sei das Vermögen von Bankern aus kriminellen Cum-Ex-Geschäften geschont worden, weil sie gute politische Kontakte gehabt hätten. Noch schärfer formuliert der frühere Linken-Finanzexperte Fabio De Masi: "Olaf Scholz lügt."