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Steuerrechtslücken : Nach Cum-Ex ging der Betrug mit Cum-Cum weiter

Noch immer sind nicht alle Steuergelder zurückgeholt. In vielen Fällen droht Verjährung.

24.04.2023
2024-03-05T10:36:35.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance / Schoening

Die in Hamburg ansässige Warburg-Bank ist in Cum-Ex verstrickt.

Der frühere Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte der Linksfraktion, Fabio De Masi, pflegt die komplexen Steuerbetrügereien um Cum-Ex mit einem Vergleich aus dem täglichen Leben zu erklären.

Vereinfacht gesprochen funktioniere Cum-Ex so: Ein Kunde schiebt eine leere Bierflasche im Supermarkt in den Pfandautomaten und erhält dafür einen Pfandbon. Er kopiert diesen Pfandbon und gibt die Kopien an Freunde weiter. Dann gehen alle in den Supermarkt und lösen die Pfandbons an der Kasse ein. In der Praxis wird der Trick an der Supermarktkasse nicht funktionieren, weil die kopierten Pfandbons erkannt werden. Die Finanzbehörden hätten jedoch mehrfach ausgestellte Cum-Ex-Steuerbescheinigungen nicht erkannt. Und dort sei es nicht um ein paar Cent, sondern um etliche Milliarden Euro gegangen.

Steuerschaden wird auf mindestens 30 Milliarden Euro beziffert

Banker und Finanzberater, von denen nicht wenige bereits verurteilt worden sind, hatten ein kompliziertes Verfahren entwickelt, um den Staat zu betrügen. Dabei wurde versucht, eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer sich mehrfach wieder erstatten zu lassen - in den ersten Jahren durchaus mit Erfolg. Die Aktienpakete wurden zu diesem Zweck um den Dividendenstichtag herum gehandelt, also mit (Cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch.

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Durch dieses Verwirrspiel wurde unklar, wer Anspruch auf die Steuerrückerstattung der automatisch abgeführten Kapitalertragssteuer hatte. Am Ende wurde sie mehrfach erstattet, die Beteiligten teilten sich die Beute", erläutert der frühere Finanzexperte der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick. Schick initiierte nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament die "Bürgerbewegung Finanzwende", die seitdem für eine Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals kämpft. Der Steuerschaden durch Cum-Ex wird inzwischen auf mindestens 30 Milliarden Euro beziffert.


„Angesichts der Schuldenbremse und der Zinserhöhungen der Zentralbank bezahlen wir teuer für diese Kriminalität der Bankster im Nadelstreifen.“
Fabio De Masi (Linke)

De Masi macht in diesem Zusammenhang einen Vergleich, um die Dimension des Schadens durch Cum-Ex darzustellen: Deutschland verfüge über etwa 30.000 Schulen. Der Cum-Ex-Schaden entspreche also etwa einer Million Euro für jede Schule in Deutschland. "Angesichts der Schuldenbremse und der Zinserhöhungen der Zentralbank bezahlen wir teuer für diese Kriminalität der Bankster im Nadelstreifen", so De Masi in der "Berliner Zeitung".

Während die Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte langsam vorankomme, kann nach Ansicht von Schick bei den verwandten Cum-Cum-Geschäften davon keine Rede sein. Neue Schätzungen für den Zeitraum 2000 bis 2020 würden zeigen, dass allein in Deutschland der Mindestschaden aus Cum-Cum-Geschäften von rund 100 Banken bei 28,5 Milliarden Euro liege. Diese Geschäfte seien erst 2016 erschwert worden.

Bei Cum-Cum-Geschäften wurde nochmal anders vorgegangen

Schick wirft den Finanzministern in Bund und Ländern vor, lange Zeit verhindert zu haben, dass der Staat die illegalen Gewinne von den Banken zurückholen konnte. Bis 2020 seien daher gerade 135 Millionen Euro aus Cum-Cum-Geschäften zurückgeholt worden. Während sich bei Cum-Ex die Banken eine einmal ausgezahlte Steuer mehrfach zurückerstatten ließen, wurde bei Cum-Cum anders vorgegangen.

Nach dem Steuerrecht haben Steuerinländer (etwa Banken) das Recht, sich die Kapitalertragsteuer zurückerstatten zu lassen. Steuerausländer wie ausländische Fonds oder Versicherungen mit deutschen Aktien haben dieses Recht nicht. Daher wurden im Ausland gehaltene deutsche Aktien zum Zeitpunkt der Dividendenzahlungen nach Deutschland übertragen, so dass es zu einer Erstattung der Kapitalertragsteuer kam. Unmittelbar danach wanderten die Aktien ins Ausland zurück. Die Beteiligten teilten sich dann die "Beute".

In vielen Fällen droht Verjährung

Schick: "Dieses Vorgehen ist missbräuchliche Steuergestaltung. Denn die Geschäfte wurden nur gemacht, um für das Finanzamt eine andere Eigentümergemeinschaft der Aktien (inländische Bank statt ausländischer Pensionsfonds) vorzutäuschen."

Schick fordert von der Politik und Finanzbehörden, die Rückforderung von Steuergeldern zügig zu betreiben. Denn es drohe in vielen Fällen bald Eintritt der Verjährung.