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Cum-Ex
Hans-Jürgen Leersch
Gewaltige Dimensionen

Vorgänge um Warburg-Bank und die Rolle von Kanzler Scholz werden untersucht

Für die Koalitionsfraktionen findet die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals um die Hamburger Warburg Bank längst in der Bürgerschaft der Hansestadt statt, wo ein eigener Untersuchungsausschuss das Thema aufarbeitet. Für die Union und auch die anderen beiden Oppositionsfraktionen sind die Dimensionen jedoch so gewaltig, dass jetzt ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ran soll. Denn 280 Millionen Euro Kapitalertragsteuer sollen der Hamburger Warburg-Bank aufgrund von Cum-Ex-Geschäften zu Unrecht erstattet worden sein; es steht der Verdacht politischer Einflussnahme im Raum.

"Deswegen gibt es nur einen Weg, dieses Thema jetzt sorgfältig zu untersuchen, nämlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses", sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Mathias Middelberg am Donnerstag in einer Debatte des Bundestages über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/6420), einen zweiten Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der Antrag wurde vom Bundestag an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen. Nach dem Antrag der Unionsfraktion sollen dem Ausschuss zwölf ordentliche Mitglieder angehören. SPD- und Union sollen jeweils drei Mitglieder stellen, die Grünen und die FDP jeweils zwei Mitglieder. Jeweils ein Mitglied sollen AfD und Linke stellen. Mit der Konstituierung des Gremiums wird noch im Juni gerechnet.

Sonderfall Hamburg Middelberg sagte, man hätte sich den Antrag sparen können, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der früher Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg gewesen war, irgendwann ehrlich Rede und Antwort gestanden hätte. Das sei leider nicht der Fall gewesen. Zugleich sei Hamburg unter Scholz das einzige Bundesland gewesen, das Cum-Ex-Gelder nicht zurückverlangt habe. Die Union wolle wissen, wer dafür verantwortlich ist.

In ihrem Antrag schreibt die Union, dass sich Scholz am 1. Juli 2020 in einer Aussage vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages konkret an ein Treffen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius, am 10. November 2017 habe erinnern können. Kurz nach dem 1. Juli 2020 seien zwei weitere Treffen von Scholz und Olearius bekannt geworden sowie ein von Scholz initiiertes Telefonat mit Olearius. In weiteren Befragungen habe sich Scholz dann nicht mehr an Treffen erinnern können. Die Union schreibt von einem "rasanten und umfassenden Gedächtnisverlust des Bundeskanzlers".

Die Koalitionsfraktionen bezweifelten, ob sich die Hamburger Vorgänge mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufklären lassen können. Michael Schrodi (SPD) erklärte, der Steuervollzug sei Aufgabe der Länder. Seit zweieinhalb Jahren gebe es in Hamburg einen Untersuchungsausschuss. Dessen Ergebnisse seien eindeutig: An all den von Middelberg geschilderten Unterstellungen sei nichts dran. Es habe keine Verfehlungen gegeben, es sei kein Steuergeld verlorengegangen. Und dennoch beantrage die CDU/CSU einen nahezu identischen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Es gehe der Union nur um Stimmungsmache gegen Kanzler Scholz, so Schrodi.

Stephan Brandner (AfD) bezeichnete den Untersuchungsantrag der Union als "mehr als dünn", befürwortete aber eine Untersuchung der Vorgänge um die Warburg-Bank. Scholz stehe für Ausweichen, Wegducken und für Gedächtnisverlust: "Wie kann eine solche Person Deutschland überhaupt regieren?", fragte Brandner. Aufklärung sei notwendig, aber es gebe erheblich größere Probleme in Deutschland, wie unter anderem das Corona-Desaster, die Nord Stream-Sprengung und die schrankenlose Einwanderung.

Katharina Beck (Grüne) nannte es das gute Recht der Union, Transparenz herstellen und die Finanzmarktkriminalität aufklären zu wollen. Das sehe auch ihre Fraktion als wichtig an. Der erste Untersuchungsausschuss des Bundestages habe bereits wichtige Erkenntnisse geliefert und ein Bewusstsein für die Probleme geschaffen.

Doch beziehe sich der Unionsantrag nur auf Hamburg, und dort gebe es bereits einen Untersuchungsausschuss. Daher müssten in den Untersuchungsausschuss des Bundestages weitere relevante Sachverhalte aufgenommen werden, zum Beispiel die Cum-Cum-Geschäfte, empfahl Beck. Durch Cum-Cum war ebenfalls ein hoher Steuerschaden entstanden.

Christian Görke (Linke) begrüßte den Unionsantrag: "Wir als Linke kaufen dem Kanzler seine Erinnerungslücken nicht ab." Görke forderte die SPD auf, die 45.000 Euro Parteispenden von der Warburg-Bank zurückzahlen. Scholz habe sich dreimal mit Olearius getroffen, als schon längst gegen den Banker ermittelt worden sei. An die Union gewandt sagte Görke, auch deren Weste sei alles andere als weiß. Das müsse ebenfalls untersucht werden.

Markus Herbrand (FDP) sagte, Aufklärung sei nötig, aber zwei Untersuchungsausschüsse in der gleichen Sache müsse es nicht geben. Der Antrag sei Theater, "und das auch noch im falschen Schauspielhaus". Es handele sich um Hamburger Themen, und daher sei schleierhaft, wie ein Untersuchungsausschuss des Bundestages Erkenntnisse aus dem Hamburger Rathaus gewinnen könne. Alle Beteiligten seien bereits befragt worden, und Herbrand glaubt auch nicht, dass sich "Erinnerungslücken durch einen Untersuchungsausschuss klären lassen".

Aus Politik und Zeitgeschichte

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