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Gastkommentare - Contra
Hagen Strauß, "Rheinische Post", Düsseldorf
Geringer Mehrwert

MEHR BÜRGERNÄHE?

G rundsätzlich gilt doch: Abgeordnete bekommen in ihren Wahlkreisen samstags am Infostand oder in ihren Ortsverbänden zu hören, welche Themen den Menschen unter den Nägeln brennen. So sollte es zumindest sein. Und gerade jetzt, wo es etwa um die große Frage des Heizungsaustausches geht, laufen die digitalen Postfächer voll. Wer davon nichts in seine politische Arbeit einfließen lässt, dürfte fehl am Platze sein.

Bürgerräte sind da - wenn überhaupt - lediglich ein zusätzlicher Arbeitskreis, falls man nicht mehr weiter weiß. 160 sollen dem Rat beim Bundestag angehören. Die Zahl sagt schon etwas über den geringen demokratischen Mehrwert aus, der durch Auswahlkriterien und Losverfahren, also durch gelenkte Zufälligkeit, nicht höher wird. Auch das erste Thema zündet wenig: "Ernährung im Wandel". Ziemlich abstrakt und aus Sicht vieler Menschen reine Geschmackssache. Vor allem nichts, bei dem die Politik dringend Nachhilfe benötigen würde. Neue Erkenntnisse sind davon nicht zu erwarten.

Bürgerräte bedeuten nicht automatisch mehr Bürgernähe. Sie sind nicht repräsentativer, als das Parlament es ist. Darum geht es ja im Kern, wenn man solche Gremien fordert. Müllmänner und die derzeit gut beschäftigten Handwerker werden sich eher nicht beteiligen, dafür aber jene, die bereits als Weltverbesserer unterwegs sind. Soll heißen: Ein Wesen der repräsentativen Demokratie ist, dass sie die Bevölkerungsstruktur eben nicht adäquat widerspiegeln kann. Denn am Ende entscheiden immer noch die Wähler, welche politischen Entscheidungen überzeugt haben und wer in den Bundestag einzieht. Nicht Bürgerräte - und schon gar nicht ein Losverfahren.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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