8 IM BLICKPUNKT Weltklimakonferenz in Brasilien Prinzip Hoffnung Am Montag startet im brasilianischen Belém der 30. Klimagipfel. Teilnehmer aus rund 200 Staaten wollen dann elf Tage lang über die Umsetzung bereits verein- barter Klimaziele beraten. Bislang sind die Erfolge bescheiden, die Erderwärmung schreitet voran. Kann die COP30 echte Fortschritte beim Klimaschutz bringen? W er eine Portion Opti- mismus braucht, wenn es um den Kampf gegen erwärmung die Erd- geht, ruft bei Jochen Flasbarth an. Der 63-jährige SPD-Politiker ist be- amteter Staatssekretär im Bundes- umweltministerium, zuständig auch für internationale Klimapolitik. Seit Wochen fliegt er durch die Welt, be- müht sich darum, dass es auf der diesjährigen Weltklimakonferenz vom 10. bis zum 21. November im brasilianischen Belém keinen Eklat gibt. Jetzt, da viele von einem Roll- back im Klimaschutz reden, setzt Flasbarth auf Einigung. Allein im Oktober war er zu Gesprä- chen mit Umwelt- und Klimaminis- tern in Indien, Saudi-Arabien, Brasi- lien, China. Danach, am Telefon, sagt rückgängig, förderte zudem klima- freundliche Technologien und erneu- erbare Energien. Für Flasbarth ist Trumps Agieren aber nicht das Ende internationaler Klimadiplomatie. Er prophezeit: „Die Klimakonferenz in Belém wird trotz Trumps Antiklimapolitik gut, denn alle, mit denen ich geredet habe, wol- len zeigen, dass es auch ohne die USA geht.“ Darum steht die Weltge- meinschaft aber noch nicht dort, wo sie einst hinwollte. Ein Rückblick. Weltklimagipfel in Paris, 12. Dezember 2015, 19.20 Uhr: Der damalige französische Außen- minister Laurent Fabius lässt einen kleinen grünen Hammer auf sein Pult sausen und verabschiedet so das Klimaabkommen. Europa, die USA, China, die Insel- Pariser Es geht kein Weg daran vorbei, die Treibhausgasemissionen zu mindern. Das wissen alle. STAATSSEKRETÄR JOCHEN FLASBARTH s r e g l i H a h c s a S / N K U M B © 2025 wurde weltweit erstmals mehr Strom aus Erneuerbaren Energien produziert als aus Kohle. Das zeigt eine Studie der britischen Denkfa- brik Ember. Der Anteil der Erneuer- baren am globalen Strommix hat sich demnach auf 34,3ÊProzent er- höht, der Kohleanteil ist auf 33,1 Prozent gesunken. Und China, auch wenn das Land weltweit die meisten Treibhausgase ausstößt, treibt die Energiewende derzeit so an, dass es für Europa aus wirtschaftlicher Sicht gefährlich wer- den kann. Die Volksrepublik, zweit- größte Wirtschaftsmacht der Welt, besetzt künftige Märkte für grüne Technologien – Solarzellen, Batte- rien, Elektroautos. Präsident Xi Jin- ping nennt den grünen Wandel „den Trend unserer Zeit“. Insgesamt reichen die Bemühungen der Staaten aber nicht. 2024 war weltweit das wärmste Jahr seit den Aufzeichnungen, erstmals lagen die Temperaturen im Jahresschnitt 1,5 Grad über dem vorindustriellen Ni- veau. Und nicht nur das Land heizt sich auf, auch das Meer sogar bis in 2.000 Meter Tiefe. Beim Paris-Ab- kommen geht es um das dauerhafte Überschreiten der 1,5-Grad-Marke, nicht das einmalige. Doch wird die Erwärmung voraussichtlich anhalten, weil der Treibhausgasausstoß noch steigt – 2024 sogar so stark wie seit Beginn der modernen Messungen im Jahr 1957 nicht. Das rechnet die Welt- wetterorganisation vor. Sie warnt zu- dem, dass die Fähigkeit der Natur ab- nimmt, CO2 aus der Luft aufzuneh- men. Sinkende Pegel in Indien, stei- gende Zuckerpreise in den USA Dabei ist der Klimawandel schon jetzt unangenehm spürbar. Wetterex- treme nehmen zu, mal fällt der Regen knüppeldick vom Himmel, dann wie- der gar nicht. Die Vereinten Nationen listen beispielsweise im Bericht „Dür- re-Hotspots weltweit 2023-2025“ eine Reihe von Problemen auf. So bewirk- ten in Spanien zwei trockene Jahre in Folge eine Verdopplung des Olivenöl- staaten – alle feiern einen histori- schen Vertrag. Sie verpflichten sich mit ihm, die glo- bale Erwärmung durch den men- schengemachten Klimawandel „weit unterhalb von zwei Grad“ zu halten, zudem anzustreben, sie nicht über 1,5 Grad ansteigen zu lassen. Das al- les soll im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung gelten. Und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sol- len die weltweiten Netto-Treibhaus- gasemissionen bei null sein. Alle Staaten geben sich dazu nationale Klimaziele, alle fünf Jahre werden diese überprüft und verbessert. Das Signal: Die Welt baut um, will weg von den fossilen Energien, von Gas, Kohle, Öl hin zu Solar- und Wind- kraft, zu erneuerbaren Energien. Heute, zehn Jahre später, gibt es Im ersten Halbjahr zwar Erfolge: er: „Es geht kein Weg daran vorbei, die Treibhausgase zu mindern. Das wissen alle.“ Wirklich? Mitte Oktober dieses Jahres erst platzte ein UN-Klimaschutzabkom- men in der Schifffahrt. Dabei hatte eigentlich alles nach einer Mehrheit für ein System zur Bepreisung der CO2-Emissionen von Schiffen ausge- sehen. Auch Flasbarth hat das genau verfolgt, das schon. Er sagt: „Mir wur- de zum Beispiel berichtet, dass die USA Vertretern kleiner Inselstaaten gedroht haben, ihnen keine Visa mehr auszustellen.“ Er hat auch kei- nen Hehl daraus gemacht, was er da- von hält, dass der Beschluss am Ende noch einmal um ein Jahr nach hinten verschoben wurde – nichts. Nicht alle Staaten sind derzeit für einen Kompromiss zu haben Es sei ein „bitterer Tag für den Kampf gegen den Klimawandel“, schrieb er in den sozialen Medien, „Staaten las- sen sich vielleicht unter Druck set- zen, der Planet nicht“. Das ist ein un- gewöhnlicher, ein harscher Ton für Flasbarth, der zwar als hartnäckig, aber auch äußerst diplomatisch gilt, als einer, der Kompromisse findet. Doch sind derzeit nicht alle für einen Kompromiss zu haben. US-Präsident Donald Trump hat schon in seinem Wahlkampf mit dem Slogan „Drill, baby, drill“ klarge- macht, was er will: Öl und Gas stärker fördern. Noch am Tag seiner Amts- einführung Anfang dieses Jahres kün- digte er dann auch das Pariser Klima- schutzabkommen. Das hatte er in sei- ner ersten Amtszeit auch schon ge- tan. Zwischendurch machte sein Amtsnachfolger Joe Biden dies wieder Die Amazonas-Metropole Belém wurde bewusst als Austragungsort gewählt, denn der Re- genwald ist von entscheidender Bedeutung für das globale Klima. © picture-alliance/REUTERS/A. Coelho Im neu errichteten Kongresszentrum im Parque da Cidade in Belém wird sich vom 10. bis 21. Nove sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und eine Delegation der indigenen Gemeinschaft Preises, weil die Olivenernte um 50 Prozent eingebrochen war. In Bra- silien fiel der Wasserstand des Ama- zonas so weit, dass es zu einem Mas- sensterben von Fischen und seltenen Flussdelfinen kam. Im Panama-Kanal sackte der Wasserstand dermaßen ab, dass zeitweise ein Drittel weniger Schiffe passieren konnten. In Thai- land und Indien litt die Zuckerpro- duktion so stark unter der Trocken- heit, dass Zucker in den USA 8,9 Pro- zent teurer wurde. Der Klimawandel setzt dem Men- schen zu, auch in Deutschland: die Hitze, die Stechmücken, die in Regio- nen vordringen, die ihnen zuvor zu kalt waren, und die Zecken, die sich bei längeren Sommern und milderen Wintern ausbreiten. Oder die Vibrio- nen, die Infektionen auslösen kön- nen, in der Ostsee leben und sich bei Wassertemperaturen, die mehrere Tage lang über 20 Grad liegen, stärker vermehren. Hat das Paris-Abkommen nichts ge- bracht – oder nur zu wenig? Klima- Diplomat Flasbarth, der als einer der Architekten des Abkommens gilt, weil er schon in Paris dabei war und entscheidende Streitfragen zwischen den Staaten mit löste, sagt: „Derzeit warnt die Wissenschaft, dass sich die Erde im schlimmsten Fall in den nächsten 25 Jahren um drei Grad er- hitzen kann. Das darf nicht passie- ren. Aber vor Paris waren wir auf ei- nem Fünf-Grad-Pfad.“ Fortschritte seien möglich, man müsse dranblei- ben – und schneller werden. Kritik am EU-Emissionshandel wächst mit immer mehr Auflagen Allerdings ringt die EU derzeit selbst damit, wie ehrgeizig sie beim Klima- schutz sein will. Sollen auch nach 2035 noch Diesel und Benziner, also Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gebaut und neu verkauft werden dür- fen, damit die Autoindustrie nicht dass so Flasbarth. Aber überfordert wird? Und: Wie ambitio- niert soll ein EU-Klimaziel für 2040 sein, wenn die Wirtschaft nicht rund läuft? „Da gibt es derzeit durchaus beißen- de ironische Kommentare anderer Staaten“, in Europa sei der Klimaschutz mit Ge- setzen unterlegt. Vor allem funktio- niere der Emissionshandel. Mit ihm bekommen CO2-Emissionen einen Preis. Er soll, das ist die Idee, dazu führen, klimafreundlichere Techniken sich mehr lohnen und so an Bedeutung gewinnen. Aber die Kritik wächst, je strenger die Auflagen werden. Gerade die energieintensive Industrie fordert, die Regeln zu lo- ckern. In jedem Fall solle der Ausbau erneuerbarer Energien weltweit ver- dreifacht, die Energieeffizienz bis 2030 verdoppelt sowie die Abkehr von fossilen Energien vorangebracht werden, so Flasbarth. Darauf habe sich die Weltgemeinschaft bereits vor zwei Jahren in Dubai geeinigt. In Be- lém sollten diese Ziele nun konkreti- siert werden. Gibt es eine Alternative zu einer Weltklimakonferenz? Nicht nur logis- tisch ist sie eine Herausforderung. Im brasilianischen Belém sind die Preise für die Übernachtungen explodiert, weil es kaum Unterkünfte für die er- warteten 50.000 Teilnehmenden gab. Deutschland hat seine Delegation wie viele andere verkleinert. Aber auch das Format selbst steht in Frage, weil es mühsam vorangeht und die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt es diesmal unterlaufen könnten. Flasbarth sagt: „Nein. Jedes Jahr eine Weltklimakonferenz zu haben, das hat eine eigene Dynamik, weil ei- gentlich niemand mit leeren Händen anreisen will.“ Mit nach Belém. ihm fliegt der Optimismus Hanna Gersmann T Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.