2 HAUSHALT 2026 Das Parlament | Nr. 49 | 29. November 2025 INTERVIEW MIT CHRISTIAN HAASE (CDU) »Es wird schwer werden« Der Haushaltsexperte der Union weist Kritik an der Umsetzung des Infrastruktur-Sondervermögens zurück – und sieht erhebliche Herausforderungen beim Haushalt 2027 auf die Abgeordneten zukommen Der Bundestag beschließt nun in- nerhalb weniger Wochen den zwei- ten Haushalt. Wie bewerten Sie als Chefhaushälter der Unionsfraktion den Etat für das nächste Jahr? Es ist im Grunde eine nahtlose Fort- setzung des Haushalts für 2025. Wir haben die gleichen Hauptthemen: in- nere und äußere Sicherheit sowie das Anreizen von Wirtschaftswachstum. Wir nehmen dafür viel Geld in die Hand: zum einen durch Steuerer- leichterungen und Maßnahmen bei den Energiepreisen. Damit werden Unternehmen, aber auch Privatleute entlastet. Das noch teurere Thema ist aber die innere und insbesondere die äußere Sicherheit. Im Haushalt 2026 sollen mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Vertei- digungshaushalt und dem Sonder- vermögen fließen ... Das ist eine Riesenaufgabe, die das Mi- nisterium zu bewältigen hat. Es geht ja nicht darum, das nur in den Haushalt reinzuschreiben. Das Material muss auch in den Kasernen stehen. Mit dem Abfluss der Mittel hat es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gegeben, sowohl bei Inves- titionen als auch bei der militäri- schen Beschaffung. Sind Sie hoff- nungsfroh, dass das jetzt besser lau- fen wird? Da muss man unterscheiden. Wir hat- ten damit gerade bei Investitionen im Verkehrsbereich Probleme. In den letz- ten Jahren hat es durch Änderungen im Planungsrecht aber eine Trendumkehr gegeben. Deswegen hatten wir jetzt auch die Diskussion, ob überhaupt noch neue Bauprojekte begonnen wer- den können. Die Einigung vom Koaliti- onsausschuss am 8. Oktober, noch ein- mal drei Milliarden Euro zusätzlich für den Verkehrsbereich bereitzustellen, haben wir im Haushalt umgesetzt. Da- mit haben wir für die Straßen, Schienen und Wasserstraßen jetzt ausreichend Mittel für die nächsten Jahre. Im Vertei- digungsbereich sieht das anders aus. dustrie kurzfristig und schnell liefern kann. Man muss sich darauf einstellen, dass im Verteidigungsetat Mittel einge- plant werden, die liegen bleiben, weil das Material einfach nicht lieferbar ist oder die Lieferung länger dauert. Die kriselnde Beschaffung der Fre- gatte 126 ist so ein Beispiel dafür. Im Haushalt sind jetzt Milliarden für ei- ne mögliche Alternative eingeplant. Bei den vielen Projekten, die im Augen- blick angestoßen werden, wird auch mal einiges schieflaufen. Deswegen mahnen wir im Verteidigungsministeri- um ein viel stärkeres Projektmanage- ment an als in der Vergangenheit, um den Überblick über die verschiedenen Maßnahmen zu haben. Wichtig ist uns, dass die Mittel zum Schließen von Fä- higkeitslücken ausgegeben werden und nicht, um einfach Geld auszugeben. Neben der Sicherheit haben Sie das Wachstum als wesentliches The- ma im Haushalt benannt. Ein Vehi- kel ist für die Bundesregierung das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität. Das wurde von Ökonomen überwiegend begrüßt. Nun mehren sich die Stimmen, die das Sondervermögen als Verschiebe- bahnhof kritisieren und monieren, dass der absehbare Effekt für das Wachstum hinter dem Möglichen zu- rückbleibt. Was entgegnen Sie? Das kommt, glaube ich, von einer fal- schen Vorstellung. Wir haben eine Fi- nanzplanung der Ampel vorgefunden, die letztendlich an Haushaltsfragen ge- scheitert ist. Es waren gerade die gro- ßen Investitionen, die Schwierigkeiten gemacht haben und die nicht ausfinan- ziert waren. Die Bahnfinanzierung wur- de durch Erhöhungen des Eigenkapi- tals dargestellt, damit das nicht auf die Nettokreditaufnahme angerechnet wird. Es sind alle möglichen Tricks ge- nutzt worden. Wir haben mit den 500 Milliarden Euro im Sondervermö- gen jetzt einen großen Schluck aus der Pulle genommen, der in zusätzliche In- vestitionen fließen soll. Inwiefern? Es baut sich quasi parallel eine Vertei- digungsindustrie zu dem starken An- stieg der Verteidigungsausgaben auf. Aber die Säule der verfügbaren Mittel ist deutlich größer als das, was die In- Die Zusätzlichkeit wird von den Kritikern aber in Teilen bezweifelt … Unser Ziel war, dass es eben keinen Verschiebebahnhof geben darf, son- dern dass wir nachher genauso viel In- vestitionen im Kernhaushalt haben, Wir haben in der Finanzplanung ab dem Haushaltsjahr 2027 große Löcher, die nicht geschlossen sind. Die Voraus- setzung, um diese Lücken zu schließen, sind Wachstum und Strukturreformen. Wenn uns das nicht gelingt, dann ste- hen wir vor Löchern, die wir nicht so schnell werden stopfen können. Und dann wird sofort die Frage nach neuen Sondervermögen, also neuen Schulden, kommen. Das kann aber nicht die Lö- sung sein, auch weil die europäische Ebene unseren Haushalt mittlerweile stärker im Blick hat – und uns einen Ausgabeabbaupfad mit auf den Weg ge- geben hat. Das heißt? Es wird schwer werden. Wir haben im Rahmen der Haushaltsplanberatung mit den Ministerien bereits diskutiert. Es gibt auch einen regierungsinternen Prozess, nach dem erst einmal ein Pro- zent der Haushaltsmittel pauschal ge- strichen werden müssen. Dann ist auch die Politik gefragt: Welche Förderpro- gramme priorisieren wir in Zukunft – und welche streichen wir? Das sind alles Aufgaben, die werden wir Haus- hälter und Fachpolitiker schon im nächsten Frühjahr erledigen müssen, damit wir im Sommer überhaupt einen Haushalt für 2027 zusammenkriegen. Die Koalition hat eine Kommissi- on zur Reform der Schuldenbremse auf den Weg gebracht. Welche Erwar- tungen haben Sie an diese? Ich habe keine Erwartungen an diese Kommission. Die Vorschläge liegen ei- gentlich schon auf dem Tisch. Es gibt einige kleine Stellschrauben, an denen man drehen könnte, etwa bei der Kon- junkturkomponente und ähnlichen Dingen. Auch mit Blick auf den euro- päischen Rahmen könnte es noch An- passungsbedarf geben. Ich sehe aber nicht, dass wir die Schuldenbremse ganz über Bord werfen. Das lassen we- der die europäischen Fiskalregeln zu, noch können wir von der disziplinie- renden Wirkung der Schuldenbremse weg, wenn wir uns nicht selbst in Schieflage bringen wollen. Die Fragen stellte Sören C. Reimer. T Christian Haase ist haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Der Christdemokrat sitzt seit 2013 im Bundestag. © picture-alliance/SZ Photo/Jens Schicke Investitionsquote wie wir vor dem Sondervermögen hat- ten. Wir haben uns die letzten drei Jah- re angeguckt – im Übrigen mit den Grü- nen zusammen – und sind auf die zehn Prozent gekommen, die als not- wendige festge- schrieben sind, damit Mittel aus dem Sondervermögen fließen dürfen. Natür- lich sind etwa Verkehrsinvestitionen in das Sondervermögen gewandert, die vorher im Kernhaushalt veranschlagt waren. Daher kommt der Vorwurf. Aber wir haben es hinbekommen, die Inves- titionsquote im Kernhaushalt zu halten – und den Etat trotzdem ins Lot zu bringen. Natürlich wäre es mir auch lie- ber, wenn wir ausschließlich über zu- sätzliche Investitionen aus dem Son- dervermögen sprechen würden, also dass wir nicht nur die Brücke A aus finanzieren, son- dem Kernhaushalt dern auch die Brücke B zusätzlich. So ist das aber nicht angelegt worden, weil der Gesamthaushalt in der Schieflage war und wir dieses Problem auch in den Griff bekommen mussten. Insge- samt sind die Investitionen im Sonder- vermögen in der Gesamtsumme zu- sätzlich zu den bisherigen Investitio- nen im Kernhaushalt. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte in dieser Woche: „Die Schulden sind da, die Reformen nicht.“ Was muss aus Ihrer Sicht als Haushälter im Herbst, Winter oder Frühjahr der Reformen pas- sieren, damit das, was Sie in Zah- len gegossen haben, auch funktio- niert? PARLAMENTARISCHES PROFIL Die für die Arbeitenden: Tamara Mazzi Hätte sie auf ihren Grundschullehrer gehört, säße sie jetzt viel- leicht nicht im Haushaltsausschuss des Bundestags. „Er meinte: Mädchen und Mathe passen nicht so gut zusam- men“, erinnert sich Tamara Mazzi; was man halt so sagt, um Privilegien zielorientierter zu verteilen. „Doch dann erhielt ich ab der siebten Klasse tolle Lehrkräfte und merkte: Mathe macht mir Spaß, ich habe ein Zahlenverständnis.“ Und so wurde Mazzi nicht nur Lehrerin für Mathematik sowie Geschichte und zog 2025 für die Linke in den Bundes- tag ein, sondern ging auch in den Haushaltsausschuss, wo sie mit Zahlen genügend zu tun hat. Und der hat in diesem Jahr besonders viele Ziffern. „Dafür wird aber er- staunlich wenig Geld für die Menschen in die Hand genommen“, kritisiert Mazzi. Ein Fünftel für Verteidigung – „da gibt es dann kalte Kürzungen im Sozialen, das belastet die Kinder- und Jugendpolitik“, sagt die Pädago- gin. Die Kielerin zeigt sich konsterniert von der letzten Sitzung des Haus- haltsausschusses, die 16 Stunden lang dauerte, bis man den Etatentwurf beschloss. „Am Ende waren alle unglaublich erschöpft, aber wofür?“ Mazzi moniert, dass man sich dafür nicht mehr Zeit genommen habe, dass man nicht zwei Sitzungen eingeplant habe. „Um vier Uhr morgens tauscht man sich nicht wirklich mehr aus – das war angesichts des Volu- mens und der Bedeutung für die Bevölkerung nicht respektvoll.“ Überhaupt wirkt Mazzi, 33, wütend. „Die Kosten für Waffen steigen gera- de exponentiell an, wir kippen den Mehrgewinn einfach in Rheinmetall rein.“ Aber Moment, sagen nicht die Experten, dass vieles an der Bun- deswehr marode sei und Investitionen brauche? „Ja“, sagt sie gedehnt, aber da würden Gelder verpuffen, es gebe viel Verwaltung – und man solle eher darüber sprechen, wie die Bundeswehr effektiver gestaltet werden könne. Nun, aber braucht es nicht dennoch eine Zeitenwende? „Das Jetzige geht über den Verteidigungsduktus hinaus“, beharrt sie, „das ist eine Militarisierung der Gesellschaft“. Es gibt kalte Kürzungen im Sozia- len, das belastet die Kinder- und Jugendpolitik. TAMARA MAZZI (DIE LINKE) © picture alliance / dts-Agentur Man merkt, dass Mazzi im Bundestag vor allem Arbeit und Soziales an- geht. Bei der Linken sei sie, sagt sie, weil die Partei am ehesten für die Arbeitenden da sei. Jedenfalls weiß Mazzi, wovon sie spricht. Sie wuchs in Mettenhof auf, das ist ein Stadtteil mit besonders vielen Hochhäusern. „Wir sind von der Politik und von der Stadtplanung immer benachteiligt worden“, sagt sie. Früher sei sie es schlicht gewohnt gewesen, dass die überfüllten Busse immer nur jede halbe Stunde zur Universität fuhren. Später, als sie dann selber ins Zentrum gezogen war, habe sie gemerkt, dass bei Bedarf auch eine andere Taktung möglich sei – „aber nicht für die in Mettenhof“. Eine Initialzündung ihres politischen Engagements war, als die Stadtteilbibliothek in ihrem Kiez während Corona geschlos- sen wurde, während die in anderen Stadtteilen offenblieben, „und das, obwohl Mettenhof am kinderreichsten in Kiel ist, und es auch den größ- ten Bildungsbedarf gibt“. Sie schrieb einen Brief an den Oberbürger- meister, im Rathaus merkte man auf, und die Bücherei wurde aufge- schlossen. Vorher hatte sie sich an Schulstreiks beteiligt und später an der Uni zu Antirassismus und an feministischen Themen gearbeitet. Doch der Brief war eine Prélude für ihr kommunalpolitisches Engage- ment, „ich sah, dass man etwas bewirken kann“. Sie zog in die Kieler Ratsversammlung ein. Und merkte, dass all die ehrenamtliche Arbeit ne- ben dem Beruf als Lehrerin viel Energie beanspruchte, „da dachte ich schon, dass ich das einmal auch hauptamtlich machen möchte“; also die Bundestagskandidatur und der überraschende Einzug über Listen- platz 2. „Ich hatte bei diesem Listenplatz nicht damit gerechnet“. Am Montag nach der Bundestagswahl ging sie dann zuerst in die Schu- le, sie musste ja unterrichten. „Die großen Schüler in der Oberstufe fan- den das cool, aber die Kleinen in der sechsten Klasse waren traurig und überrascht; sie fragten, ob das auch anderen Lehrern passieren könne, so als ob man eingezogen wird“. Aber es sei nur zeitlich befristet, „ein bisschen vermisse ich das Klassenzimmer“. Jan Rübel T