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»Siegen oder untergehen«

Militarismus Verhängnisvolle deutsche Traditionslinien

05.01.2009
2023-08-30T11:23:42.7200Z
2 Min

Es war nur folgerichtig, dass Adolf Hitler kurz vor seinem Selbstmord am 29. April 1945 Großadmiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger ernannte. Bereits in den Monaten zuvor hatte Hitler Marineoffiziere zu Kommandanten der verbliebenen Festungen an der Atlantikküste ernannt. Die Marine schien der beste Garant für die Parole "Siegen oder untergehen". Ganz in diesem Sinne hatte Kapitän zur See Ernst Lindemann, Komandant der "Bismarck", das deutsche Schlachtschiff im Mai 1941 lieber selbst versenkt als vor den Briten zu kapitulieren - über 2.000 Soldaten riss er damit in den Tod.

Besonders katastrophal hatte sich Dönitz' Devise "Lieber ehrenvoll untergehen als die Flagge streichen" - auf die U-Boot-Flotte ausgewirkt. Über 60 Prozent der Besatzungen fand den Tod auf See. Spezifisch nationalsozialistisch war dieser Kadavergehorsam allerdings nicht, wie der Militärhistoriker Wolfram Wette in seinem neuen Buch "Militarismus in Deutschland" herausarbeitet. Auch in der kaiserlichen Kriegsmarine galt es als schlicht "unehrenhaft", "die Flagge zu streichen". Ähnliches war in den Kriegsflotten Japans, Frankreichs, Großbritanniens und Russlands dieser Zeit zu beobachten. Den Nazis gelang es schließlich, dieses vermeintliche Heldenethos auch im Land- und Luftkrieg bis zur "Perfektion" zu pervertieren und bis zum bitteren Ende 1945 aufrecht zu erhalten.

Wette zeichnet überzeugend die Traditionslinien des deutschen Militarismus von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialismus nach. Und mit kritischem Blick weist er darauf hin, dass bei Gründung der Bundeswehr diese Traditionen in Teilen des Offizierskorps selbst gegen den politischen Willen noch hoch gehalten wurden. Für die Zeit nach der Wiedervereinigung konstatiert Wette zwar eine zunehmende "Tendenz zum Einsatz von Militär" in der Außenpolitik, in der deutschen Bevölkerung herrsche allerdings ein "ausgeprägter Friedenswille". Damit fehle jener "Humus für die Entwicklung eines neuen Miltarismus" wie im Kaiserreich und der NS-Diktatur.

Wettes insgesamt zu empfehlendes Buch leidet jedoch unter einem großen Manko: es blendet die Geschichte in Ostdeutschland völlig aus. Zwar betont Wette, dass die DDR entgegen ihrer eigenen Staatspropaganda "eine tiefgreifende Militarisierung der Gesellschaft erlebte", belässt es dann aber bei dem lapidaren Hinweis, dass dies bislang noch nicht hinreichend erforscht worden sei. Schade, dass er dieser Stelle nicht selbst Hand angelegt hat.

Wolfram Wette:

Militarismus in Deutschland. Geschichte einer kriegerischen Kultur.

Primus Verlag, Darmstadt 2008; 309 S., 24,90 €