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Goldbrasse und Seespinne

MAROKKO Hier wird der Fischfang staatlich kontrolliert

03.08.2009
2023-08-30T11:24:04.7200Z
3 Min

Gekonnt manövriert der Mann am Außenbordmotor das Boot an verdutzten Schwimmern vorbei auf den Strand. Sofort sind die Fischer von Neugierigen umringt. Eine kleine Attraktion am Sonntagnachmittag für die Badenden in Wadalia am Mittelmeer, etwa zehn Kilometer von der Hafenstadt Tanger entfernt. Viel ist es nicht, was da im Boot liegt. Hauptsächlich kleinere Fische, darunter wenige Goldbrassen und auch eine große Seespinne, die besonders bei Kindern Interesse weckt. Die Fischer sind trotzdem zufrieden. Schnell wird der sechs Meter lange, blau bemalte Holzkahn saubergespritzt und zwischen den anderen Fischerbooten verstaut. Der Fang wird in Kisten, der Motor auf Schultern nach Hause ins Dorf getragen.

"Das sind Fischer kleiner Gemeinden", erklärt Nezha Salaheddine, die Direktorin des "Nationalen Büros für Fischerei" in Tanger. "An der marokkanischen Mittelmeerküste gibt es 3.100 dieser kleinen Boote. Eine Tradition, oft von Generation auf Generation vererbt, die es unbedingt zu erhalten gilt", findet die Direktorin. Marokko will sie an den kommerziellen Markt anschließen, ihnen eine bessere Infrastruktur bieten, damit sie weiterhin überleben können: "Sonst geht diese Kultur einfach verloren, so nachhaltig sie für die Fischwelt des Mittelmeers auch sein mag".

Fische für Spanien

Ein Blick aus den großen Bürofenstern von Nezha Salaheddine genügt, um lokale Traditionen mit kommerzieller Industriefischerei zu kontrastieren. Ein Heer von Kuttern liegt hier im Hafen vor Anker. Hochseetaugliche Boote, die seit 2008 mit einer Staatshilfe von 500 Millionen Euro sukzessive modernisiert werden. Auf der anderen Seite eine Reihe von Lagerhäusern mit Kühlanlagen. Davor Lastwagen, die von Arbeitern in langen, weißen Plastikschürzen hektisch beladen werden. Jede Kiste Fisch ist dick mit Eis bedeckt.

Vergangenes Jahr brachten die Kutter allein in diesem Hafen 8.953 Tonnen Fisch an Land. Tanger ist einer von zehn Häfen an der 500 Kilometer langen marokkanischen Mittelmeerküste, in denen 2008 insgesamt 52.361 Tonnen Fisch eingebracht wurden. Das sind 10.000 Tonnen weniger als noch vor einem Jahr, ein Rückgang von fast 20 Prozent. "Das hängt mit den vorgeschriebenen Fangquoten zusammen, die wir strikt einhalten", erklärt Salaheddine. Gefischt wird alles, was das Meer zu bieten hat: Seehechte, Goldbrassen, Sardinen, aber auch Schwertfisch, Tintenfisch, Crevetten, Langusten und Krabben, die besonders in Spanien gefragt sind. Als Frischware erzielen sie dort gute Preise. Oft erreichen sie die iberische Halbinsel früher als den lokalen Fischmarkt in der Altstadt von Tanger. Die Spanier sind gute Abnehmer: Durchschnittlich 45 Kilo Fisch jährlich konsumieren sie pro Kopf und sind damit in Europa führend. Italiener, Franzosen und Griechen essen im Vergleich dagegen nur etwa 22 Kilo. Dieser Bedarf kann von den europäischen Fischbooten alleine nicht erfüllt werden. Der Fischbestand im Mittelmeer reicht dazu nicht mehr aus. Seit 2007 dürfen deshalb 100 spanische und 14 portugiesische Kutter vor der marokkanischen Atlantikküste fischen. 144 Millionen Euro musste die EU für diese Rechte bis 2011 an das nordafrikanische Königreich bezahlen. Im Atlantik ist die Ausbeute - zumindest heute noch - wesentlich besser als im Mittelmeer. Auch für Marokko ist mediterrane Fischerei eher marginal.

Das Problem der Überfischung des Mittelmeeres ist auch in Marokko präsent. Auch lokale Fischer sind am Fang des Thunfisches beteiligt, das als besonders gefährdet gilt. Zu den Hauptabnehmers dieses Fisches zählt Japan. Dort steht der Thun auf jeder Sushi-Speisekarte.

Internationale Lösung

Für Nezha Salaheddine vom nationalen marokkanischen Fischereibüro in Tanger verlangen die sinkenden Thunfischbestände nach einer internationalen Lösung: "Ein Land wie Marokko kann da alleine nicht viel machen. Wir halten uns an die vorgeschriebenen Quoten und führen Buch über jeden Fang." In Marokko ist die Fischproduktion staatlich kontrolliert, jederzeit könne man nachverfolgen, wer, wann und wo, welchen Fisch aus dem Meer geholt hat, sagt Salaheddine. Selbst der Verkauf wird vom Nationalen Büro organisiert. In allen zehn Mittelmeerhäfen wird die Ware täglich versteigert. Die Fischer erhalten danach sofort ihr Geld. Illegales Fischen in marokkanischen Hoheitsgewässern sei deshalb nahezu unmöglich, glaubt die Direktorin.

Der Einsatz riesiger Treibnetze wurde allerdings erst 2007 verboten. Marokkanische Fischer benutzten sie in einer Länge von sieben bis zu 14 Kilometern, obwohl EU-weit seit 1992 maximal 2,5 Kilometer erlaubt sind. Ihr Ziel waren Schwertfische, aber auch Haie und Delphine gingen als Beifang ins Netz. Laut eines Berichts des WWF sind so jedes Jahr 3.600 Delphine und 23.000 Haie alleine in marokkanischen Gewässern getötet worden. Für Fischer, die ihre Netze freiwillig abgaben, gab es deshalb eine Belohnung: Eine finanzielle Entschädigung soll ihnen den Umstieg auf nachhaltige Methoden erleichtern.