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Das Lied des Todes

Roman Eileen Changs Klassiker über den Hunger

12.10.2009
2023-08-30T11:24:09.7200Z
2 Min

Am 8. September brechen Polizeibeamte in Los Angelos eine Apartementwohnung auf. Dort finden sie den Leichnam der 75-jährigen chinesischen Schriftstellerin Eileen Chang in eine weiße Decke gewickelt. Sie muss dort schon mindestens eine Woche gelegen haben. Ihr Name und ihr literarisches Werk wären vielleicht in Vergessenheit geraten, hätte der taiwanesische Regisseur Ang Lee für seinen Film "Gefahr und Begierde" im Jahr 2007 auf den Internationalen Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen. Denn die literarische Vorlage für die spannungsgeladene und erotische Beziehungsgeschichte zwischen Mann und Frau stammte aus der Feder Changs.

Im Jahr 1952 hatte Eileen Chang ihrer Heimatstadt Shanghai den Rücken gekehrt und war nach Hongkong gegangen, um der Zensur des kommunistischen Regimes zu entkommen. Dort verfasste sie ihren ersten Roman "Das Reispflanzerlied" in Englisch, der die katastrophalen Auswirkungen der Landreform auf das dörfliche China thematisiert. Die Kritik nahm das 1955 in New York erschienene Buch positiv auf und der Literaturwissenschaftler C. T. Hsia erhob es in seinem Standardwerk über den modernen chinesischen Roman zum "Klassiker". Auf Chinesisch erschien "Das Reispflanzerlied" jedoch erst 1968 in Taiwan, nachdem Chang 1955 in die Vereinigten Staaten emigriert war. In der Volksrepublik China wird der Roman bis heute als antikommunistische Propaganda abgetan.

Debatten um die Reissuppe

"Das Reispflanzerlied" spielt in den frühen 1950er Jahren im ländlichen China. Nach dem Eintritt Chinas in den Korea-Krieg werden den Bauern zusätzliche Abgaben zur Versorgung der "heldenhaften Soldatenfamilien" abverlangt. In der Folge muss die Landbevölkerung trotz guter Ernten hungern. Erst verschwindet das letzte Schweinefleisch vom Mittagstisch, dann der Reis, bald dreht sich in den Debatten der Hungerleidenden alles nur noch um die Dicke der Reissuppe. Die Situation eskaliert, es kommt zu einer blutigen Revolte gegen die alles beherrschende Partei.

Die traurige Ironie des "Reispflanzerlieds" ist es, dass Eileen Chang mit ihrem Roman über den Hunger den historischen Ereignissen vorgriff. Zwischen 1958 und 1962 brachen in China aufgrund der völlig verfehlten maoistischen Politik und von Naturkatastrophen massive Hungersnöte aus, die bis zu 40 Millionen Menschen das Leben kosten sollten.

Eileen Chang:

Das Reispflanzerlied.

Roman.

Claasen Verlag, Berlin 2009; 223 S., 19,90 €