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Anwalt der Soldaten

PORTRÄT Der Bundestag hat Hellmut Königshaus zum neuen Wehrbeauftragten gewählt, im Mai tritt er sein Amt an. Wie es ist, sich als Soldat mit dem Vorgesetzten…

29.03.2010
2023-08-30T11:25:52.7200Z
4 Min

Hellmut Königshaus (FDP) betont nicht ständig, wie toll er sich und seine Partei findet. Er ist kein Mann der großen Gesten und Worte. Aber er ist ein scharfer Analytiker, der die Dinge zügig auf den Punkt bringt. Man kann sich gut vorstellen, wie er im Plenum den Wehrbericht vortragen wird: nüchtern, unmissverständlich.

Königshaus ist der neue Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Das Parlament wählte ihn am 25. März mit 375 von 579 abgegebenen Stimmen bei 163 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen zum Nachfolger von Reinhold Robbe (SPD). Mitte Mai wird der FDP-Politiker das Amt übernehmen, dann - so will es das Gesetz - muss er sein Bundestagsmandat niederlegen. Für Königshaus wird der Berliner Holger Krestel (FDP) in den Bundestag nachrücken.

Oberleutnant der Reserve

Der 59-jährige Königshaus ist seit 2004 Bundestagsabgeordneter; einen Namen machte er sich im Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre. Seit dieser Legislaturperiode sitzt er im Verteidigungsausschuss. Der Jurist ist also kein eingefleischter Sicherheitspolitiker, doch war er Zeitsoldat und zuletzt Oberleutnant der Reserve bei der Luftwaffe. Als Gymnasiast lebte er im Internat. Sowohl die Zeit in der Bundeswehr als auch im Internat waren für ihn prägend: Er lernte, sich in einer Gruppe zurechtzufinden, und was es heißt, sich aufeinander verlassen zu müssen.

Diese Erfahrungen helfen ihm, Demütigungen bei der Bundeswehr, wie sie in der Rekrutenausbildung in Coesfeld vorgekommen sind oder bei Aufnahmeritualen von Soldaten in Mittenwald, zu bewerten: "Überall da, wo viele Menschen zusammenkommen, kann es eine Gruppendynamik geben in die gute wie in die schlechte Richtung", weiß Königshaus: "Deshalb haben die Vorgesetzten die Aufgabe, ein waches Auge darauf zu haben. Das darf aber nicht so weit gehen, dass die Soldaten im Privaten in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit behindert werden. Auf Maß und Mitte kommt es an." Da spricht der Liberale.

Zähe Kür

Als "allererste Wahl" pries FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger den neuen Wehrbeauftragten und überspielte so die zähe Kandidatenkür in ihrer Fraktion. Lange wurde deren verteidigungspolitische Sprecherin Elke Hoff gehandelt, die jedoch schließlich ablehnte. Auch Jörg van Essen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, machte einen Rückzieher.

Für den SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold zeigt die monatelange Suche nach einem Nachfolger von Robbe, dass die FDP "eine extrem dünne Personaldecke hat, was qualifizierte Leute anbelangt". Arnolds CDU-Kollege Ernst-Reinhard Beck lobte indessen die Voraussetzungen des neuen Wehrbeauftragten als "ideal".

In seiner neuen Dienststelle an der Neu-städtischen Kirchstraße in Berlin-Mitte ist Königshaus noch nicht gewesen, obwohl sie nur wenige hundert Meter von seinem bisherigen Abgeordnetenbüro entfernt ist. "Das hielt ich vor meiner Wahl für nicht angemessen", sagt der gebürtige Berliner.

"Maß und Mitte" halten scheint der schlanke, 1,80 Meter große Politiker auch für sich verinnerlicht zu haben. Er erzählt von seinem früheren Büro in der fünften Etage. Treppensteigen war für ihn selbstverständlich. Die Treppen in der neuen Dienststelle werden für ihn ein Kinderspiel sein: Das Büro liegt in der zweiten Etage. Er will auf seinem Hometrainer für Ausgleich sorgen.

Königshaus sieht seine neue Aufgabe darin, die weltweiten Bedrohungslagen genau zu beobachten und ihre Auswirkungen für die Sicherheit der Soldaten sowie ihrer Familien einzuschätzen. Ansonsten sei sein Auftrag im Gesetz ja genau beschrieben, sagt er, ganz Jurist. Der Wehrbeauftragte müsse für das Parlament "das wachsame Auge in die Streitkräfte hinein" und Ansprechpartner der Soldaten sein: "Allerdings ist er nicht der Kummerkasten für alles und jedes. Er ist insbesondere dann gefragt, wenn der Soldat den Eindruck hat, dass nicht nur sein Vorgesetzter falsch gehandelt hat, sondern dass er auch vom Vorgesetzten des Vorgesetzten keine Hilfe erwarten kann."

Der Liberale weiß, wovon er spricht: Als Rekrut habe er eine Diskussion mit einem Ausbilder geführt, "in der er meine Auffassung gegenüber der Bundeswehr als schädlich bezeichnete", berichtet Königshaus: "Er hatte deshalb meine Übernahme als Soldat auf Zeit abgelehnt. Ich habe mich beschwert und Recht bekommen." Die politische Auffassung des Soldaten, sofern sie demokratisch sei, könne doch kein Kriterium sein für einen Rausschmiss.

Früher war Königshaus entwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion sowie Leiter der FDP-Arbeitsgruppe Afghanistan. Das Zusammenspiel von Entwicklungshilfe und Sicherheit ist ihm nach mehreren Reisen an den Hindukusch vertraut: "Wir sind in Afghanistan, um aufzubauen. Dafür brauchen wir Sicherheit. Wir bauen nicht auf, um den Militäreinsatz zu sichern, sondern umgekehrt: Wir sichern den Aufbau."

In seinem Büro hängt ein Bild, das ihm Kinder einer Berliner Tagesstätte gemalt haben, in der er sich als Praktikant offensichtlich bewährt hat. Unten rechts, das sei nicht Ernie aus der "Sesamstraße", sondern er, amüsiert sich der zweifache Vater. Ob er die anderen, vom Bundestag geliehenen Bilder an den neuen Arbeitsplatz mitnehmen darf, sei noch nicht geklärt. Da ist er wieder ganz Jurist.