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Parlamentarisches Profil : Der Dauerläufer: Dirk Fischer

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
3 Min

Diese Absage schmerzt. Dirk Fischer legt den Hörer auf die Gabel. "Pflicht geht vor, keine Frage", sagt er und schaut von seinem Bürofenster im Abgeordnetenhaus Unter den Linden in den grauen Himmel. Matt weht gegenüber die Fahne Ungarns vom Dach der Botschaft. Eigentlich spielt heute am Frühabend die Fußballmannschaft der Bundestagsabgeordneten gegen die Fahrbereitschaft; heute aber ohne ihren Außenbahnspieler, gerade hat er dem Kapitän abgesagt. Die Abstimmung über den Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, verzögert sich. Und Dirk Fischer wird um sein 359. Spiel gebracht. Das wurmt, keine Frage.

Im Leben des Hamburger Abgeordneten Dirk Fischer wetteifern Fußball und Politik ständig miteinander, und nicht selten unterwirft die Politik den Sport. "Ich bin Disziplinmensch", sagt der 67-Jährige. Vielleicht hat er deshalb den Sport zum Teil in die Politik-Welt hineingezogen, agiert als Präsident des Hamburger Fußball-Verbands und DFB-Vorstands.

Jedenfalls waren es Köpfe wie Konrad Adenauer und Herbert Wehner, die den jungen Dirk Fischer früh in den Bann der Politik zogen. "Diese Herren hatten Gemeinsinn, ein Verantwortungsgefühl", sagt er. "Die waren uneitel, geradezu asketisch." Heutzutage werde die Politik ja gern beschrieben, als störe sie einen optimalen Ablauf.

Mit Fischer ging es jedenfalls voran, mit 27 schon hatte er zahlreiche Ämter inne: er war Vorsitzender des CDU-Studierendenverbands RCDS, der Jungen Union Hamburg, Chef eines CDU-Ortsverbands und Abgeordneter der Bürgerschaft. Mit den 68ern zofften sich die jungen Christdemokraten täglich: "Wenn wir mit den Flugblättern kamen, wurden uns schon mal Taschen über den Kopf gezogen", erinnert er sich, "bei Sitzstreiks an der Dammtorstraße trugen wir die Demonstranten meterweise weg, beim Springer-Verlag mühten wir uns um die freie Ausfahrt der Lastwagen mit den fertig gedruckten Zeitungen." Dabei galt die Hamburger JU unter Fischer als links; die Ostpolitik Willy Brandts unterstützte sie, setzte auf eine Modernisierung der Union.

Im Jahr 1980 schließlich der Einzug in den Bundestag: Eigentlich wollte Fischer in den Innenausschuss. Aber dem jungen Justitiar eines Großhandelsunternehmens fehlte die dafür notwendige Tuchfüh-lung mit dem Beamtentum und so handelte ihm sein Landesgruppenchef einen Platz im Verkehrsausschuss aus. "Das gefiel mir auf Anhieb: Verkehrspolitik verbindet lebenspraktische Sachverhalte mit juristischen Herausforderungen", sagt Fischer. Den Heimatort Hamburg als globale Verkehrsdrehscheibe schlechthin und einen Großvater als Reeder im nordrussischen Archangelsk im Rücken, legte Fischer los. "Es gibt kein Sachgebiet, das Deutschland bis in den letzten Winkel besser kennt als die Verkehrspolitik", resümiert er. Im Jahr 1989, zwei Tage vor dem Mauerfall, wählte ihn die Unionsfraktion zum verkehrspolitischen Sprecher. Fischer weihte Umgehungsstraßen in Orten ein, deren Namen anders ausgesprochen werden als sie sich schreiben, wie der Hanseat erfuhr. Er kam herum.

Daheim erklomm Fischer den CDU-Vorsitz in Hamburg, sortierte die Partei nach den langen Jahren der Herrschaft seines Vorgän-gers Jürgen Echternach neu, verordnete ihr Transparenz und löste sich von undemokratischen internen Machtzirkeln, denen er selbst lange angehört hatte; als einen Spitzenmann der Exekutive sah er sich weniger. "Das ist nicht meine Lebensplanung. Ich verstehe mich allenfalls als Auffanglösung", zitierte ihn 1992 die Wochenzeitung "Die Zeit" auf die Frage, ob er gegen Bürgermeister Henning Voscherau antreten würde. Er trat an. Aber erst der Christdemokrat Ole von Beust zog neun Jahre später in das Rathaus der einstigen SPD-Hochburg Hamburg ein.

Die Zeit drängt. Gleich beginnt die abschließende Beratung des Verkehrshaushalts, Fischer muss rüber in den Plenarsaal. In Berlin gehe im Verkehrswesen nur wenig ohne den Hamburger, sagen Informierte über ihn. Kontinuierlich hat der Parlamentarier die Verkehrspolitik des Bundes über Jahrzehnte hinweg geprägt. "Noch", sagt er, "habe ich einige Spiele vor mir."