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Fliegt die deutsche Solarindustrie aus der Kurve?

26.04.2010
2023-08-30T11:25:54.7200Z
3 Min

UMWELT

Draußen demonstrieren etwa 200 Beschäftigte der Solarbranche unter IG Metall-Fahnen gegen die von der Koalition avisierte Kürzung der Subventionierung von Solarstrom (Photovoltaik), weil sie einen Jobabbau fürchten. Drinnen drücken bei einer Anhörung des Umweltausschusses am vergangenen Mittwoch Oppositionsabgeordnete mit Raunen und Tuscheln leisen Protest gegen den Sachverständigen Philippe Welter vom Fachmagazin Photon aus, der mit einem verblüffenden Argument die Pläne der Unions- und FDP-Fraktion unterstützt: Wegen der durch die hohe Förderung gepuschten starken Nachfrage habe sich Deutschland zu einem "Magnet für Solarmodule" aus dem Ausland entwickelt, die deswegen in manchen Staaten zuweilen nur schwer zu beschaffen seien. Doch die Oppositionsfraktionen von SPD, Linken und Grünen, aus deren Sicht die Reduzierung der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierten Vergütungssätze für Kilowattstunden aus Solarkraft zu hoch ist, müssen nicht nur Kritik einstecken: Für einen Teil der acht Sachverständigen gehen die anstehenden Abstriche bei der Subventionierung, die von den Verbrauchern über einen Aufschlag auf den Strompreis finanziert wird, ebenfalls zu weit. So offenbart das Hearing, dass die Solarförderung nicht nur zwischen Koalition und Opposition, sondern auch zwischen den Interessengruppen umstritten ist.

Laut einem Gesetzentwurf (17/1147) wollen Union und FDP angesichts des Preisverfalls bei Modulen neben der turnusgemäß Anfang des Jahres erfolgten Absenkung der Vergütung um neun Prozent die Subventionierung zum 1. Juli zusätzlich vermindern. Investitionen auf Ackerland sollen gar nicht mehr unterstützt werden. Vor allem aber soll die Förderung für Dachanlagen um 16 Prozent und für größere Systeme auf Freiflächen um 15 Prozent gestutzt werden.

Weitgehenden Rückhalt findet dieses Konzept bei Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und bei Frank Peter von der Prognos AG, die vor ungerechtfertigten Belastungen der Konsumenten warnen. Krawinkel betont, der Ausbau der Photovoltaik wie die Reduzierung der Produktionskosten für Module gingen viel schneller vonstatten als vermutet. Laufe die EEG-Förderung trotzdem nach bisherigem Muster weiter, könnten die Stromtarife bis zu zehn Prozent steigen. Krawinkel verweist auf hohe Gewinne bei Photovoltaik-Betreibern. Welter spricht von "Eigenkapitalrenditen bis zu 30 Prozent". Beim EEG müsse es um eine "kosteneffiziente Markteinführung" erneuerbarer Energien gehen. Aus Sicht von Peter, der bei Photovoltaikanlagen eine Überkapazität auf dem Markt ausmacht, hätten die Verbraucher schon früher entlastet werden müssen.

Kritiker der Koalitionspläne meinen, im Sommer dürften die Vergütungssätze nur zwischen sechs und höchstens zehn Prozent gekürzt werden. Eicke R. Weber vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme räumt ein, dass Sonnenstrom im Rahmen des EEG noch eine "sehr teure Energie" sei. Es zeichne sich jedoch ab, dass die Photovoltaik gegenüber anderen Energien konkurrenzfähig werden könne. Die Solarbranche habe 70.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die "weltweite Führungsrolle" Deutschlands dürfe nicht gefährdet werden.

Wolfgang Seeliger von der Landesbank Baden-Württemberg preist die Photovoltaik als "Schlüssentechnologie der nächsten 50 Jahre". Würden die Vergütungssätze in der vorgesehenen Höhe gekürzt, "dann fliegt die deutsche Industrie aus der Kurve". Wie Weber warnt Seeliger vor einer Zunahme von Billigimporten aus dem Ausland, auf die Hersteller von Sonnenstrom wegen sinkender Renditen verstärkt ausweichen würden: Dann drohe eine Abhängigkeit etwa von China. Angelika Thomas von der IG Metall sieht durch eine zu schnelle und zu starke Verminderung der Photovoltaik-Förderung die Steigerung der Jobs in der Solarbranche von 70.000 auf 100.000 in Frage gestellt.