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Schwierige Aufarbeitung einer Tragödie

VErtriebenen-Stiftung Bundestag beendet langen Streit mit Gesetzesänderung

25.05.2010
2023-08-30T11:25:57.7200Z
3 Min

Der Streit um die "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" hat ein parlamentarisches Ende genommen. Der Bundestag verabschiedete am vergangenen Donnerstag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einener Stiftung "Deutsches Historisches Museum" (17/1400). SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmten gegen das Gesetz.

Mit der Gesetzesänderung werden der Stiftungsrat und der wissenschaftliche Beraterkreis der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" vergrößert. Diese war im Dezember 2008 als unselbstständige Stiftung des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums eingerichtet worden. Sie soll in Berlin eine Ausstellungs- und Dokumentationsstätte zur Erinnerung und zum Gedenken an Flucht und Vertreibung als Folge des Nationalsozialismus während und nach dem Zweiten Weltkrieg unterhalten.

Konkret sieht das Gesetz eine Erhöhung der Mitgliederzahl des Stiftungsrates von 13 auf 21 und die des wissenschaftlichen Beraterkreises von neun auf bis zu 15 vor.

Ebenfalls modifiziert wird das Berufungsverfahren für den Stiftungsrat. Dessen Mitglieder werden künftig durch den Bundestag gewählt. Bislang waren die Mitglieder von der Bundesregierung ernannt worden. Nach der Neuregelung werden der Bundestag vier Mitglieder, das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien je ein Mitglied, der Bund der Vertriebenen (BdV) sechs Mitglieder und die Evangelische Kirche, die Katholische Kirche und der Zentralrat der Juden je zwei Mitglieder zur Wahl vorschlagen.

Der Gesetzesänderung vorausgegangen war ein Streit um die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU). Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich gegen eine Mitgliedschaft von Steinbach im Stiftungsrat gewandt, weil er eine Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses befürchtete. Steinbach ist in Polen unter anderem deswegen umstritten, weil die CDU-Abgeordnete 1991 im Bundestag der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze zu Polen die Zustimmung verweigert hatte. Nachdem sich Union und FDP im Februar auf eine Neufassung des Gesetzes geeinigt hatten, verzichtete Steinbach auf ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat.

Nun soll Stiftungsdirektor Manfred Kittel bis zum Herbst Eckpunkte für die Konzeption der Dauerausstellung vorlegen. Im März war zudem Michael Dorrmann zum neuen Kurator der Stiftung bestellt worden. Dorrmann konzipierte bereits Ausstellungen im Jüdischen Museum Berlin.

»Fauler Kompromiss«

Sozialdemokraten, Linke und Grüne übten in der abschließenden Lesung des Gesetzes harsche Kritik: "Die vorliegende Gesetzesänderung ist das Ergebnis eines erfolgreichen Erpressungsversuchs des BdV", schimpfte Wolfgang Thierse (SPD). Diese Einschätzung teilte auch die Linken-Abgeordnete Lukrezia Jochimsen: "Alle Hauptpunkte des neuen Gesetzes gehen auf Forderungen des Bundes der Vertriebenen zurück, der sich als Interessenvertretung damit eine Bundesstiftung zur Beute macht." Und die Grünen-Parlamentarierin Tabea Rößner attestierte der Regierungskoalition, sie habe einen "faulen Kompromiss" ausgehandelt. Die Vergrößerung des Stiftungsrates solle das "Einknicken vor den Ansprüchen von Frau Steinbach kaschieren".

Vertreter der Union und FDP wiesen dieVorwürfe zurück. Thomas Strobl (CDU) verteidigte die Regelung, dass der BdV künftig sechs der 21 Mitglieder im Stiftungsrat stellen wird: Dies sei "doch nur recht und billig: denn wer, wenn nicht die Vertriebenen selbst, hat allen moralischen Anspruch auf angemessene Berücksichtigung in einer Stiftung, die der Aufarbeitung der Tragödie Vertreibung dienen soll!"

Der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth verwahrte sich gegen den Vorwurf der Erpressung durch den BdV in einer "derart sensiblen Debatte und in diesem historischen Kontext". Die Besetzung des Stiftungsrates sei zukünftig demokratischer gestaltet, weil der Bundestag die Mitglieder wähle. Und durch die Vergrößerung des Beraterkreises werde die "wissenschaftliche Fundiertheit" besser gewährleistet.

Einig zeigten sich alle Fraktionen über die große Bedeutung der Stiftung für die Aufarbeitung der Verbrechen während und nach dem Zweiten Weltkrieg und für die Versöhnung der Völker.