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Das gefährdete Leben eines Tabubrechers

MEDIEN Wer in Kroatien über Korruption und organisierte Kriminalität berichtet, braucht Polizeischutz - Vorwurf an die Justizbehörden: langsame und mangelhafte…

26.07.2010
2023-08-30T11:26:01.7200Z
3 Min

Der kroatische Journalist Dusan Miljus lebt unter Polizeischutz. Seine mutigen Berichte über Korruption und Mafia-Aktivitäten haben ihn in bestimmten Kreisen in Ungnade fallen lassen. Vor zwei Jahren schlugen ihn Unbekannte vor seinem Haus in Zagreb t zusammen. Seither begleiten ihn täglich zwei Sicherheitsleute überall hin, auch zu seiner Arbeit bei der Tageszeitung "Jutarnij List". Die Drohungen haben nicht aufgehört, aber Miljus lässt sich davon nicht einschüchtern. "Das ist nicht nur an eine Botschaft an mich persönlich, sondern auch an andere Kollegen, sich dieser Themen nicht anzunehmen", sagt er. Seit 20 Jahren widmet er sich heißen Themen, und es erfüllt ihn mit Sorge, dass der Trend im kroatischen Journalismus immer stärker zur Boulevardisierung und Trivialisierung gehe. Die Wirtschaftskrise verstärke diese Entwicklung und führe dazu, dass derzeit viele Kollegen ihre Arbeit verlören, klagt Miljus.

"In Kroatien hat sich einiges verbessert", zeigt sich Oliver Vujovic, Generalsekretär der Südosteuropäischen Medienorganisation Seemo mit Sitz in Wien optimistischer. Seine Organisation, die die Lage in Südosteuropa seit zehn Jahren intensiv beobachtet, verzeichne inzwischen einen Rückgang der Attacken auf Journalisten in Kroatien. Dennoch hält er die ausbleibenden Ermittlungserfolge im Fall Miljus für alarmierend. In einem offenen Brief an das kroatische Innenministerium Anfang Juni mahnten zahlreiche Journalistenorganisationen stärkere Anstrengungen der Behörden an.

Mutige Kollegen

Gerade mit Blick auf den möglichen EU-Beitritt Kroatiens sieht es Vujovic mit Sorge, dass sich die EU mit diesem Fall nicht eingehender beschäftigt. "Schon beim Beitritt Bulgariens und Rumäniens hat sich gezeigt, dass die Probleme der verbreiteten Korruption leicht übersehen werden", rügt er. Dabei müsse Brüssel solche Angriffe auf Journalisten sehr viel ernster nehmen. Schließlich seien es mutige Kollegen wie Miljus, die sich mit der grenzüberschreitenden Kriminalität und Korruption oder mit Themen wie Menschenhandel beschäftigten. "Die EU sollte auch ein viel stärkeres Interesse daran haben, dahinter zu kommen, was westeuropäische Unternehmen in Südosteuropa für Geschäfte machen", sagte er mit Blick auf die Schmiergeldpraxis einiger Firmen.

Im Fall der Ermordung des Journalisten Ivo Pukanic und dessen Marketingdirektors Niko Franjic im Oktober 2008 habe es sehr schnell Verhaftungserfolge gegeben. Vujovic wertet es auch als positives Signal, dass die ehemals verfeindeten Nachbarstaaten Kroatien und Serbien heute bei den Verfahren gegen die mutmaßlichen Mörder im Fall Pukanic eng zusammen arbeiten. Gerade im Vorgehen gegen die Mafia sei diese grenzüberschreitende Kooperation sehr wichtig. "Dabei müssen nicht nur die Täter verhaftet werden, sondern auch die Drahtzieher zur Verantwortung gezogen werden", sagt er. Sein Eindruck ist allerdings, dass die Auftraggeber bislang unbehelligt bleiben. "Kroatien ist ein Land, das in die EU strebt und den Kampf gegen Korruption ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt hat", heißt es in Forderungen von Seemo an die kroatische Regierung. "Deshalb ist es besorgniserregend, dass investigative Journalisten wie Miljus, die offen zu berichten wagen, nicht ausreichend geschützt werden."

Fortschritte angemahnt

Auch das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York mahnt angesichts des EU-Beitritts mehr Fortschritte für die Pressefreiheit in Kroatien an. Es dokumentiert für 2009 zahlreiche Vorfälle, bei denen Journalisten angegriffen oder bedroht wurden. Der Reporter Stjepan Mesaric hatte über Fälle von Korruption in der nördlich gelegenen Stadt Cakovec geschrieben. Als der Sohn eines Geschäftsmannes ihn daraufhin ins Gesicht schlug, ging die Polizei nicht gegen den Täter vor. Die Journalistenorganisation kritisiert auch, dass die aktuelle Anzeigenkrise dazu führe, dass Medienunternehmen eine kritische Berichterstattung über die Politik oder führende Unternehmen lieber zurückfahren, um nicht noch mehr Anzeigenkunden zu verlieren.

Gegen Ende seiner Amtszeit im Februar 2010 hatte auch der scheidende Präsident Stipe Mesic die Kroaten in dramatischen Worten gewarnt: "Ich missbillige die Eigentümer, die sich ausschließlich dem Profit verschreiben und dabei das öffentliche Interesse außer Acht lassen. Insbesondere missbillige ich die Medien, die öffentlich-rechtlich sind und sich dennoch des Sensationsjournalismus bedienen, der in besorgniserregender Weise die kroatische Medienlandschaft beherrscht."

Der Vorsitzende des kroatischen Journalistenverbandes, Zdenko Duka, ist dennoch optimistisch:"Nach dem schwarzen Jahr 2008 mit den beiden Morden sieht es in diesem Jahr in Kroatien schon viel besser aus."