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Kurz notiert

09.08.2010
2023-08-30T11:26:02.7200Z
4 Min

Wir haben in den Bundestagsfraktionen nachgefragt: Warum hat Deutschland ein Interesse daran, die Ausbreitung der Wüsten zu bekämpfen und ihr Potenzial zu nutzen? Hier die Antworten der Abgeordneten.

Jürgen Klimke, CDU/CSU

Wüsten zerstören Lebensräume. Mehr als 40 Prozent der Landflächen sind schon Trockengebiete, zwei Milliarden Menschen leben dort. 20 Prozent der Trockengebiete sind bereits nicht mehr nutzbar. Es ist die Aufgabe der deutsche Entwicklungspolitik, sich verstärkt darum zu kümmern. Wir müssen Konzepte für eine nachhaltige Nutzung von Boden, Bäumen und Wasser erarbeiten. Erosion muss verhindert werden. Ziel muss sein, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit der lokalen Bevölkerung neue ökologische und ökonomische Chancen ermöglicht.

Dirk Becker, SPD

Die Wüste verfügt über ein gewaltiges Energiepotenzial: Weniger als drei Prozent der Sahara reichen aus, um die gesamte Welt mit Solarstrom zu versorgen. Wollen wir eine globale Energiewende hin zu 100 Prozent erneuerbare Energien, müssen wir dieses Potenzial nutzen. Das schützt das Klima und wirkt der Wüstenausbreitung und ihren Folgen - Flucht, regionale Instabilität - entgegen. Solarthermische Anlagen gekoppelt mit Meerwasserentsalzung könnten nicht zuletzt die Wasserknappheit mildern sowie wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen.

Harald Leibrecht, FDP

Der Erhalt der Umwelt ist Grundvoraussetzung für jede Entwicklung. Darum muss Deutschland sich in der Entwicklungszusammenarbeit für die Bekämpfung der Wüstenbildung einsetzen. Deutschland leistet damit einen lebenswichtigen Beitrag für Millionen von Menschen. Ohne Wasser und fruchtbaren Boden gibt es keine Ernte und Ernährungssicherheit. Heute haben rund 900 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Darüber hinaus ist Wasser ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es ist für Industrie und Gewerbe unverzichtbar.

Annette Groth, Die Linke

Ein Drittel der Erdoberfläche und mehr als 250 Millionen Menschen sind von Wüstenbildung bedroht. Allein aus den Dürregebieten in der Sub-Sahara werden in den nächsten Jahren mehr als 60 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, da sie dort nicht überleben können. Wir müssen die Konsumgewohnheiten in den reichen Staaten verändern, regionale Handelskreisläufe und Landwirtschaft in den betroffenen Regionen fördern und insbeondere ein Verbot von Soja-Exporten für die Futtermittelindustrie der Industriestaaten aus wüstengefährdeten Regionen durchsetzen.

Hans-Joachim Fell, Grüne

Wiederbegrünung von Wüsten ist fundamental für Klimaschutz und Armutsbekämpfung. So werden neue Einkommen geschaffen. Außerdem speichern Pflanzenaufwuchs und Humus im Boden CO2. Wüsten bieten auch hohe Potenziale an erneuerbaren Energien: Fotovoltaik, solarthermische Kraftwerke, Windparks und für Meerwasserentsalzung. Wie im desertec-Projekt angestrebt, können in Nordafrika Städte versorgt und in Europa Kohle- und Kernkraftwerke ersetzt werden. Deutschland profitiert von neuen Exportschlagern und durch eine wirksame Bekämpfung der Erderwärmung.

Ein paar trockene Gräser, vielleicht ein bisschen Geröll, aber vor allem viel Sand - das ist es, woran jeder beim Thema Wüsten denkt. Doch unter den Dünen verbergen sich bisweilen kostbare Bodenschätze. Hier einige Beispiele.

Öl in Saudi-Arabien

Saudi-Arabien ist der größte Erdöl-Förderer der Welt. 264,59 Milliarden Barrel Rohöl (Stand Ende 2009) lagern unter dem Wüstensand, das sind fast 25 Prozent aller weltweiten Ölvorkommen. Das Königreich am Golf deckt seine Staatseinnahmen mit dem scharzen Gold zu annähernd 90 Prozent. Inmitten der Wüste stehen gigantische Förderanlagen, meist werden sie von schwer bewaffneten Polizisten geschützt - das Gut hinter den Zäunen ist kostbar. Derzeit kostet das Barrel (159 Liter) rund 77 US-Dollar.

Inzwischen erschließt Saudi-Arabien auch Vorkommen in sehr abgelegenen, schwer zugänglichen Regionen, zum Beispiel in der Wüste Rub al Khali im Osten des Landes. In der Ölförderanlage Shaybah, 400 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, werden heute täglich rund 500.000 Barrel Erdöl bester Qualität gefördert.

Diamanten in Namibia

Den ersten Diamanten Namibias fand ein armer Streckenwärter 1908 im Wüstensand beim Säubern von versandeten Eisenbahnschienen. Sein Vorarbeiter entdeckte noch mehr Diamanten, und wenig später brach es aus, das "Diamantenfieber". Die deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika gründete 1909 die "Deutsche Diamantengesellschaft", die in drei Jahren etwa 4,7 Millionen Karat aus den Wüstensand siebte.

Bis heute sind die Diamanten der wichtigste Wirtschaftsfaktor für Namibia. Die Edelsteine des Landes gelten als besonders wertvoll, denn sie besitzen den höchsten durchschnittlichen Karatwert, was eine hohe Schmuckqualität verspricht.

Aber auch in anderen Ländern Afrikas gibt es Diamanten. Nicht selten führen die Vorkommen, wie in Botsuana, zu Konflikten: Nachdem unter dem Sand der Kalahari-Wüste riesige Edelsteinreserven entdeckt wurden, werden die Buschmänner, auch San genannt, aus ihrer Heimat vertrieben.

Uran in Niger

In den Wüsten Afrikas lagern riesige Uranvorkommen, vor allem in Niger und Namibia. Niger, mitten in der Sahara gelegen, ist nach Kanada und Australien der größte Uranproduzent der Welt und damit für die Atomindustrie das, was Saudi-Arabien für die Erdölindustrie ist.

In beiden afrikanischen Ländern hat sich unter anderem der französische Konzern Areva, der auch Atomkraftwerke baut, eine milliardenschwere Lizenz für den Abbau des radioaktiven Metalls gesichert. Doch Umweltaktivisten in Niger schlagen Alarm: Sie berichten über Millionen Tonnen radioaktiver Abfälle, verstrahltes Wasser und schwere Krankheiten unter den Arbeitern, weil es an Strahlenschutzausrüstung und Aufklärung mangele.

Die Preise für Uran steigen derzeit, neue Abbaugebiete sollen erschlossen werden. Die Bevölkerung eines der ärmsten Länder der Welt hat schon jetzt offenbar wenig davon: An dem Geschäft mit dem begehrten Rohstoff verdienen in erster Linie die internationalen Konzerne.