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Parlamentarisches Profil : Friedensbewegter mit Gitarre: Paul Schäfer

23.08.2010
2023-08-30T11:26:02.7200Z
3 Min

Eigentlich, sagt Paul Schäfer, habe er Gitarrenlehrer werden wollen. 1983 begann er am Peter Cornelius-Konservatorium in Mainz das passende Studium. Nebenbei war er mit einer Musikgruppe namens "Windspiel" unterwegs. Doch 1983 bekam er ein Angebot, das ihn weg von der Gitarre und hin zur Politik führte: Der Bund deutscher Wissenschaftler fragte ihn, ob er an einer neuen Zeitschrift mitwirken wolle, die Friedensbewegung und Wissenschaft zusammenführen solle. Seitdem beschäftigt sich der heutige verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke zum Beispiel mit Abrüstung. "Ich bin Themen wie dieses dann nicht mehr losgeworden", erzählt er mit einem Augenzwinkern.

Seit 2005 sitzt der 61-Jährige im Bundestag. Eingezogen ist er über die Landesliste Nordrhein-Westfalen. Vier Mal war er seitdem etwa in Afghanistan, hat dort Truppen besucht und mit den Soldaten gesprochen. "Die Bemühungen sind unverkennbar, dort das Ruder herumzureißen", sagt Schäfer. Es sei ersichtlich, dass die Truppe "erheblich unter Druck" stehe. Kritisch sieht er jedoch die Haltung der Soldaten zum Untersuchungsausschuss des Bundestages, der sich mit dem Luftangriff bei Kundus vom September vergangenen Jahres beschäftigt. Er spüre, sagt Schäfer, "Unbehagen bis Widerwillen" gegen den Ausschuss. "Das ist für mich besorgniserregend, denn es handelt sich schließlich um eine Parlamentsarmee, die auch vom Parlament kontrolliert werden muss." Mit seiner Haltung steht er in der Linksfraktion nicht allein. Die Abgeordneten lehnen für gewöhnlich geschlossen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Einzig bei der Abstimmung zum Einsatz der Vereinten Nationen im Süd-Sudan (UNMIS) ist Schäfer von der Meinung seiner Fraktion abgewichen und hat sich enthalten. "Hier handelt es sich um unbewaffnete Militärbeobachter", begründet er seinen Standpunkt: "Kriegseinsätze kommen für mich aber nicht in Frage."

Gegen Militäreinsätze hat er sich schon zu Studentenzeiten engagiert, zur Zeit der Studentenunruhen und des Vietnam-Kriegs. "Damals wurden wir Heranwachsenden, die wir ohne Krieg aufgewachsen waren, erstmals mit diesen Bildern konfrontiert", erzählt Schäfer. Er habe schnell das Gefühl gehabt, das Vorgehen der USA sei nicht gerechtfertigt. Wie andere habe er sich außerdem gegen die Autorität an der Hochschule und im eigenen Elternhaus - "autoritär und wohlbehütet" - aufgelehnt. "Sehr links" positionierte er sich damals, beteiligte sich 1971 an der Gründung des Marxistischen Studentenbundes Spartakus.

1992 ging er hauptberuflich in die Politik, als Mitarbeiter der damaligen abrüstungspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Karin Fuchs. Danach wechselte Schäfer zur PDS, erst als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Abgeordneten, von 1999 an als Fachreferent im Bereich Friedens- und Sicherheitspolitik. Seit 2000 ist er Mitglied der PDS beziehungsweise Die Linke. Eine Zukunft in der SPD, deren Mitglied er in den 1990ern war, sah er nicht mehr, unter anderem wegen des Beschlusses, die Bundeswehr am Nato-Einsatz in Jugoslawien zu beteiligen.

Auch außerhalb des Bundestages engagiert Schäfer sich für Friedenspolitik und -forschung. Zum Beispiel ist er Aufsichtsratsmitglied im Zentrum für internationale Friedenseinsätze in Berlin, einer Gesellschaft, die vom Auswärtigen Amt getragen wird. Die im April 2002 gegründete Einrichtung hat unter anderem das Training von zivilen Fach- und Führungskräften für internationale Friedens- und Beobachtungseinsätze übernommen.

Dass er sein ursprüngliches Ziel, Gitarrenlehrer zu werden, aufgegeben hat, hat er nie bereut. Kürzlich habe er seinen damaligen Dozenten getroffen. "Der Gitarrenboom ist ja seit den 1980er Jahren vorbei", sagt Schäfer. "Inzwischen arbeiten viele Lehrer auf Honorarbasis. Da war es vernünftig, sich umzuorientieren." Wenn er einmal in Rente gehe, werde er aber wieder mehr Musik machen. Und vielleicht auch mehr in Kirchen gehen. Schäfer bezeichnet sich selbst als "säkularen Christen", als "Ungläubigen". Und doch sagt er: "Kirchen sind für mich meditative Orte, in denen ich mich sammeln kann." S