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Die strapazierte Truppe

VON ALEXANDER WEINLEIN

23.08.2010
2023-08-30T11:26:03.7200Z
2 Min

Aus der "starken Truppe", wie sich die Bundeswehr bezeichnet, ist längst eine strapazierte Truppe geworden. Aus der Armee, die im Kalten Krieg zwischen Ost und West in erster Linie der Abschreckung diente, ist längst eine Armee im Einsatz geworden - im weltweiten Einsatz. Ein Blick auf die Karte lässt bereits erahnen, vor welche Herausforderungen und Strapazen dies eine 250.000 Mann und Frau starke Armee stellt (Seiten 4 und 5). Rund 6.500 von ihnen leisten ihren Dienst in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, im Kongo, im Sudan, in Uganda, vor der Küste des Libanons und am Horn von Afrika - und vor allem in Afghanistan. Sie müssen transportiert, verpflegt, ausgerüstet, medizinisch versorgt und in Abständen von vier bis sechs Monaten abgelöst werden.

Militärisch gemanagt wird all dies vom Einsatzführungskommando bei Potsdam (Seite 3). Politisch verantwortet wird es wenige Kilometer entfernt in der deutschen Hauptstadt - von Bundesregierung und Bundestag in Berlin. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Die 622 Volksvertreter sind es, die darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten zu einem bewaffneten Einsatz ausrücken. Dies bringt auch manche politische Strapaze mit sich (Seiten 2 und 7).

Es ist eine folgenschwere Entscheidung, Soldaten in Krisen- und Kriegsregionen zu entsenden, damit sie dort den Frieden überwachen, sichern und auch mit Gewalt erzwingen oder Piraten, Aufständische und Terroristen bekämpfen sollen (Seiten 6 und 8). Folgenschwer zunächst für die Soldaten selbst, weil ein solcher Einsatz lebensgefährlich ist: 90 Soldaten fanden seit 1992 in Auslandseinsätzen schon den Tod. Aber nicht nur das Leben der Soldaten steht auf dem Spiel, auch ihre Seele läuft mitunter Gefahr, Schaden zu nehmen (Seite 11). Die Familien der Soldaten leiden unter den monatelangen Trennungen und Ängsten. Nicht jede Partnerschaft übersteht das (Seite 10). Wie sehr die Bundeswehr in ihren Einsätzen strapaziert wird, davon weiß der Wehrbeauftragte des Bundestages zu berichten (Seite 9).

Strapaziert werden die Streitkräfte auch durch einen Strukturwandel, der nun seit Anfang der 1990er Jahre anhält und in den kommenden Wochen in die nächste Runde geht. Erneut geht es um die Fragen: Wie groß soll die Bundeswehr sein, was soll sie können, welche Ausrüstung soll sie erhalten? Soll die Wehrpflicht abgeschafft werden - und was darf das kosten (Seite 12)?

Strapaziert wird aber auch die Gesellschaft insgesamt. Denn die muss sich mit Fragen auseinandersetzen, vor der sie lange Zeit die Augen verschlossen hat. Bereits das Eingeständnis, dass die Bundeswehr in Afghanistan in einen Bürgerkrieg verstrickt ist, hat Politik, Medien und Öffentlickeit viel abverlangt (Seite 13). Und auch die Frage, wie die Deutschen in Zukunft mit der Tatsache umgehen wollen, dass ihre Soldaten fern der Heimat kämpfen und im schlimmsten Fall sterben, ist sicher noch nicht abschließend beantwortet (Seite 14).