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Hartz-IV-Sätze bleiben umstritten

GRUNDSICHERUNG Verfassungsrechtlich angreifbar oder nicht? Experten uneins bei Anhörung

29.11.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
2 Min

Die neuen Hartz-IV-Regelsätze und das Bildungspaket für Kinder stießen bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am vergangenen Montag auf ein geteiltes Echo. Während einige Sachverständige die neuen Sätze des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (17/3404) als transparent berechnet und verfassungskonform bezeichneten, zweifelten andere die Verfassungsmäßigkeit an.

Die Bundesregierung habe eine "anerkannte Methode" der Berechnung benutzt, sagte Professor Georg Cremer von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. Die Berechnungen genügten den "Ansprüchen", die das Bundesverfassungsgericht formuliert habe, sagte auch Reiner Höft-Dzemski vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Gleichwohl äußerte der Sozialexperte Kritik: Die veränderte Berechnung des Regelbedarfs von Erwachsenen auf Grundlage der untersten 15 Prozent der Einpersonenhaushalte - anstelle der untersten 20 Prozent, wie bisher üblich - sei zwar "hinsichtlich der statistischen Zuverlässigkeit ausreichend". Doch fehlte im Gesetzentwurf "jede inhaltliche Begründung für diesen Paradigmenwechsel". Höft-Dzemski plädierte daher für die untersten 20 Prozent. Sonst könne der Eindruck entstehen, dass durch die Änderung ein signifikanter Anstieg der Regelsätze vermieden werden sollte.

Verfassungsrechtliche Bedenken an den neuen Regelsätzen äußerte der Sozialrichter Jürgen Borchert: Je tiefer man in die Fragestellung einsteige, "desto mehr Zweifel stellen sich ein". Seine Hauptkritikpunkte: Die Umstellung von 20 auf 15 Prozent bei der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte; die Tatsache, dass so genannte "verdeckt Arme" nicht aus der Stichprobe heraus gerechnet worden seien und dass bestimmte Berechnungsverfahren von Einpersonenhaushalten auf Familien übertragen würden. Auch die Rechtswissenschaftlerin Professor Anne Lenze hält "das gesamte Paket für verfassungsrechtlich höchst riskant". Ebenfalls kritisch äußerte sich Ragnar Hoenig vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Problematisch sei die Berechnung der Kinderregelsätze, die "statistisch unsicher" seien. Daher halte er weitere Untersuchungen für erforderlich.

Das 700-Millionen-Euro-Bildungspaket für Kinder stieß bei der Mehrheit der Sachverständigen auf grundsätzliche Zustimmung. Das Paket sei "sachgerecht und zielführend", sagte etwa Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Zugleich sah sie wie auch viele andere Experten große administrative Schwierigkeiten. Einige warnten vor Parallelstrukturen zur schon bestehenden Kinder- und Jugendhilfe, wenn künftig auch die Jobcenter zuständig sein sollten. Andere Experten kritisierten den bürokratischen Aufwand.