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Hilflose Politik

KINDERPORNOGRAFIE Die SPD hält das Gesetz zur Sperrung von Internetseiten für untauglich. Union und FDP sind uneins

24.01.2011
2023-08-30T12:16:35.7200Z
4 Min

Mit "etwas Unerhörtem" wolle er beginnen, kündigte der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling zu Beginn seiner Rede an: mit einem "Geständnis der Hilflosigkeit". Angesichts der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet fühle er sich häufig "hilf- und machtlos". Während der ersten Lesung des SPD-Antrages am vergangenen Donnerstag, das 2009 verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet aufzuheben (17/4427), wurde deutlich: Keine der Fraktionen hatte eine einfache Lösung anzubieten, um den Tausch der illegalen Bilder und Videos zu unterbinden. Einig waren sich die Oppositionsfraktionen aber darin, dass die Sperrung von Internetseiten nicht der richtige Weg sei. Sie wollen die Seiten lieber löschen. Die Koalition hingegen zeigte sich uneinig: Während die FDP grundsätzlich ebenfalls für das Löschen illegaler Angebote eintrat, hielten die Unionsabgeordneten an Internetsperren als letzte Möglichkeit fest.

Im Juni 2009 hatte die große Koalition mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD einem Gesetz zugestimmt, das es ermöglichen sollte, Internetnutzern den Zugang zu kinderpornografischen Seiten zu verwehren. Experten hatten im Vorfeld zahlreiche Bedenken geäußert: Die Sperren seien technisch leicht zu umgehen. Umgekehrt könnten auch unverdächtige Seiten gesperrt werden. "Zensursula" taufte die Internetgemeinde die für das Gesetz verantwortliche Ministerin Ursula von der Leyen.

Gesetz ausgesetzt

Das Gesetz trat am 23. Februar 2010 zwar in Kraft, doch der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzte durch eine Verordnung die Anwendung für ein Jahr aus. Das sei verfassungswidrig, argumentieren die Sozialdemokraten in ihrem Antrag: Ein Ministererlass dürfe kein Gesetz außer Kraft setzen, das vom Bundestag verabschiedet worden sei. Weil inzwischen erwiesen sei, dass "Internetsperren wenig effektiv, ungenau und technisch ohne größeren Aufwand zu umgehen" sind, fordert die SPD, das ursprüngliche Gesetz endgültig aufzuheben.

In der Debatte bezeichnete der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka das Blockieren von Homepages als "Scheinlösung". Bilder und Videos, auf denen der Missbrauch von Kindern gezeigt werde, würden inzwischen vor allem in geschlossenen Tauschbörsen angeboten. Es sei "verfassungsrechtlich höchst bedenklich", eine Infrastruktur zur Sperrung bestimmter Homepages aufzubauen. Stattdessen sollten Seiten mit Kinderpornografie möglichst schnell gelöscht werden. "Es will mir nicht in den Kopf, dass betrügerische Bankseiten sehr schnell aus dem Netz genommen werden, das bei Kinderpornografie aber nicht möglich sein soll", argumentierte Lischka.

In der großen Koalition habe die SPD noch für Internetsperren gestimmt, erinnerte die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak, während ihre Fraktion diese Maßnahme schon damals abgelehnt habe. Sie äußerte die Vermutung, dass mithilfe des Gesetzes eine "Sperrinfrastruktur" aufgebaut werden solle. Mit deren Hilfe könne man dann auch gegen Anbieter vorgehen, die das Urheberrecht verletzen und beispielsweise Filme und Musik im weltweiten Netz anbieten.

Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz zeigte sich irritiert, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert erst vergangene Woche kritisiert habe, dass die Aussetzung des Gesetzes verfassungsrechtlich fragwürdig sei. "Das stand der Verordnung von Anfang an auf die Stirn geschrieben", befand Notz. Der Schlüssel zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz sei eine "bessere personelle Ausstattung von Verfolgungsbehörden".

Zur geplanten EU-Richtlinie gegen Kinderpornografie sagte Notz, dass der aktuelle Entwurf des Europäischen Parlamentes keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten mehr vorsehe, Missbrauchs-Bilder von Minderjährigen zu blockieren. Alle Fraktionen im Europäischen Parlament seien sich inzwischen einig, dass solche Inhalte in erster Linie gelöscht werden sollten - nur die deutschen Christdemokraten würden auch in Straßburg an einer obligatorischen Sperrung festhalten.

Dass auch die FDP vorzugsweise für das Entfernen der illegalen Seiten eintritt, machte in der Debatte Jimmy Schulz deutlich. Er führte an, dass laut einer aktuellen Erhebung von eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft, kinderpornografische Seiten zu einem großen Teil schnell von den betreffenden Servern entfernt würden. Eco hatte am vergangenen Dienstag Zahlen veröffentlicht, nach denen die Beschwerdestelle des Verbandes im vergangenen Jahr 656 Hinweise auf illegales Material weitergegeben habe - 99,4 Prozent der betreffenden Internetseiten seien inzwischen abgeschaltet. Auch bei den Seiten im Ausland seien 204 der 208 Angebote gelöscht worden. Trotzdem plädierte der FDP-Abgeordnete dafür, das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie zunächst zu evaluieren und nicht sofort aufzuheben.

Bitte des BKA

"Löschen funktioniert im Inland", führte der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer dagegen an. Doch im Ausland sei es deutlich schwieriger, die Provider, die Speicherplatz für illegale Angebote bereitstellen, zur Zusammenarbeit zu bewegen. Jörg Ziercke, der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), habe ihn deshalb "händeringend gebeten, das Gesetz mit allen Konsequenzen anzuwenden".

Am 17. Februar läuft die Verordnung aus, die die Anwendung des Gesetzes bislang aussetzt. Spätestens bis dahin müssen sich die Regierungsfraktionen auf das weitere Vorgehen einigen.