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780 Treffer für den "vergessenen Kontinent"

BUNDESTAG Die Abgeordneten nutzen ihre meist individuellen Einflussmöglichkeiten von den Medien oft unbeachtet

07.03.2011
2023-08-30T12:16:38.7200Z
3 Min

Afrika ist im Deutschen Bundestag nicht der sprichwörtlich gewordene "vergessene Kontinent". Als Suchbegriff eingegeben, liefert das Dokumentationssystem des Bundestages über 780 Treffer. Verglichen mit rund 120 Treffern zu Lateinamerika und rund 80 zu Südostasien ist das quantitativ ein beachtlicher Sprung, wenn auch eine ganze Reihe von Aktivitäten innen- und rechtspolitische Fragen von Asyl und Abschiebung betreffen. Allerdings hat sich das Parlament erst ab 1983, also seit der zehnten Wahlperiode, vermehrt mit unserem südlichen Nachbarn befasst. Darin spiegelt sich die verstärkte Beachtung wider, die Afrika auch in der Bundesrepublik gefunden hat.

Afrika im Bundestag

Nimmt man die parlamentarischen Vorgänge unter die Lupe, zeigt sich, dass sämtliche Instrumentarien eingesetzt werden, um afrikarelevante Themen zur Sprache zu bringen: mündliche, schriftliche Fragen, am häufigsten Kleine Anfragen, einige wenige Große Anfragen, Anträge, die zu Parlamentsdebatten führen, einige aktuelle Stunden, aber auch ein Untersuchungsausschuss zum U-Bootexport nach Südafrika 1986. Abgesehen von wenigen Gesetzesinitiativen der Bundesregierung und vereinzelten Erwähnungen bei Regierungserklärungen, zum Beispiel zu G8-Gipfeltreffen, waren es in der Regel afrikapolitische Initiativen aus den Fraktionen, meist angestoßen durch das Engagement einzelner Abgeordneter, die zu Debatten und Beschlussfassungen führten. Überraschend ist, dass sich der Bundestag bisher nur dreizehn Mal mit afrikarelevanten Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu befassen hatte, obwohl die europäische Ebene nicht zuletzt durch die Verabschiedung der gemeinsamen Afrika-EU-Partnerschaft ein stark vergrößertes afrikapolitisches Mandat erhalten hat.

Große Probleme

Inhaltlich bestimmten einzelne große Probleme die Debatten. Es waren vorwiegend regional- und länderspezifische Themen, wie etwa die Auseinandersetzungen um den richtigen Weg zur Abschaffung des Apartheidregimes in Südafrika, die Unterstützung der Unabhängigkeit Namibias oder die Aufarbeitung des Völkermordes der deutschen Schutztruppen an den Hereros 1904. Sicherheitspolitische Themen waren Maßnahmen zur Beendigung des Krieges zwischen Eritrea und Äthiopien, die Bundeswehreinsätze in Somalia, im Kongo oder im Sudan. Menschenrechtsaspekte standen im Vordergrund der Debatten um die Behandlung der Ogoni im ölverseuchten Nigerdelta, oder um Hilfen zur friedlichen Beilegung ethnischer Konflikte in Burundi. Auch die Unterstützung zur juristischen, politischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda und Maßnahmen gegen die sudanesische Regierung wegen der Massaker in Darfur sowie gegen die Gewaltherrschaft Mugabes in Simbabwe standen auf der parlamentarischen Agenda.

Nach dem Reformaufbruch auf dem Kontinent um die Jahrtausendwende, der unter dem Leitbild der "Afrikanischen Renaissance" zur "Neuen Partnerschaft mit Afrikas Entwicklung" (NEPAD) führte, kamen strategische, den ganzen Kontinent betreffende Themen hinzu. Vermehrt wurden Debatten um eine dringende europäische Ausrichtung der Afrikapolitik und die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Afrika-Strategie geführt. Forderungen nach afrikapolitischer Kohärenz zwischen den EU-Mitgliedstaaten und einer sachgerechten und humanen Migrationspolitik der Europäischen Union kamen hinzu.

Auch in jüngster Zeit befasst sich der Bundestag mit Afrika-spezifischen Themenkomplexen wie der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, dem Umweltschutz, der AIDS-Bekämpfung, der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Verschwendung der Mittel durch korrupte Regime, der Pacht riesiger landwirtschaftlicher Flächen durch ausländische Investoren in nahrungsmittelarmen Ländern, aber auch dem Ausbau kulturpolitischer Kooperationen. Dies belegt, dass sich weder das Engagement noch die Einflussmöglichkeiten deutscher Parlamentarier verringert haben. Allerdings findet der Beitrag des Deutschen Bundestages wie auch die richtungsgebende Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Afrikapolitik der Bundesregierung nahezu keine Beachtung in den Medien.

Die frühere Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen ist Vizepräsidentin der Deutschen Afrikastiftung e.V.