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Das Kreuz mit der Bedürftigkeit

ANALYSE Warum Entwicklungshilfe das Verantwortungsgefühl in den Ländern zerstören kann

07.03.2011
2023-08-30T12:16:39.7200Z
2 Min

Die Debatte um Armut und die Rolle der Entwicklungshilfe in Afrika ist Dauerthema. Aber die Quantität der Hilfe scheint für viele wichtiger als die Qualität. Wohltätigkeit ist etwas Wunderbares, aber nicht unbedingt ein Hebel, der viel bewirkt. Afrikas Elendsklischees dagegen verkaufen sich sehr gut. Das konstruierte Bild vom hilfsbedürftigen Afrika ist ein Produkt des politischen Lobbyismus, der durch medienwirksame Auftritte von Popstars und Schauspielern unterstützt wird. Selbst deutsche Politiker lassen sich unter Druck setzen. Die Folge ist, dass Afrika-Politik oft an der auf das "Helfen" reduzierten Oberfläche bleibt.

Afrikanische Sicht

Kritische Afrikaner misstrauen der Entwicklungshilfe und meinen, dadrch seien die afrikanischen Länder entmündigt worden. Das Verantwortungsbewusstsein sei "zerstört worden, weil ausländische Helfer zu viel Verantwortung an sich zogen". Ferner kritisieren sie die Stars der Popmusik oder Filmwirtschaft, die ihr Image durch Kurzvisiten aufpolieren möchten. Diese Wohltätigkeitsaktivisten würden Fehlentwicklungen verstärken und sich zu willigen Helfern autokratischer Regime machen. Die Lage Afrikas südlich der Sahara wird sich nicht wesentlich verbessern, wenn die Afrikaner nicht erkennen, dass es auf sie selbst ankommt. In einer Rede vor den Vereinten Nationen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Politikwechsel angekündigt. Sie forderte von Afrika "gute Regierungsführung" und "Achtung der Menschenrechte", weil sie erkannt hatte, dass eine nachhaltige Entwicklung sowie wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt anders nicht zu erreichen sind. Bis vor kurzem wurde dies kaum zur Kenntnis genommen.

Wandel

Bei der Wahrnehmung Afrikas überwog bislang eine pessimistische Sicht. Die Bedeutung vieler Staaten erschöpfte sich in ihrem Abstimmungsverhalten bei internationalen Fragen. Ein Gesamtkonzept von Kairo bis Pretoria hat wenig Sinn. Es müssen länder- und regionalspezifische Antworten entwickelt werden. Für alle Länder gilt, dass Hilfe nur dort nicht verschwendet wird, wo ein stabiles staatliches Umfeld und Rechtssystem vorhanden sind. Unkontrollierte Budgethilfe lädt zum Missbrauch ein. Ist ein politisches System berechenbar, wie in Mauritius, Ruanda, Ghana, Malawi und Botswana, spielt der Privatsektor eine aktive Rolle. Ausländische Investoren bringen das Land in Schwung. Droht nach einer Wahl Bürgerkrieg, ziehen sie sich zurück. Wir brauchen einen radikalen Wandel in unserer Afrikapolitik. Der Kontinent braucht eine eigenverantwortliche Wirtschaftspolitik, weiterverarbeitende Produkte und echte Industrien. Die effizienteste Hilfe ist Bildungs- und Wirtschaftsförderung. Eigeninitiative muss stärker belohnt werden. Und wir sollten den Afrikanern nicht einreden, dass sie ihre Probleme nicht ohne unsere Hilfe lösen könnten.

Seitz ist Autor des Buchs "Afrika wird armregiert" (dtv, München, 237 Seiten, 14,90 Euro)