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Kurz rezensiert : Kurz notiert

28.03.2011
2023-08-30T12:16:40.7200Z
4 Min

Der Putschversuch am 23. Februar 1981 im spanischen Parlament war schneller vorbei als mancher glauben wollte: In dem Moment, als sich drei Abgeordnete nicht wegduckten oder - wie andere - auf den Boden warfen, sondern stehenblieben. Sie widersetzten sich dem Befehl von Oberstleutnant Antonio Tejero Molina, der mit Pistole im Anschlag das Parlament unter seine Kontrolle bringen wollte. Begleitschutz gab ihm eine bis an die Zähne bewaffnete Einheit der Guardia Civil. Im Plenum feuerte zuerst Molina seine Waffe ab, danach schoss sein Rollkommando.

Trotz ihrer offenkundigen Überlegenheit gingen die Putschisten am Ende nicht als Sieger vom Platz: Der vom amtierenden Ministerpräsidenten Adolfo Suárez, seinem Stellvertreter General Manuel Gutiérrez Mellado und Santiago Carrillo, dem Chef der Kommunistischen Partei, geführte Übergangsprozess zur Demokratie überstand den Aufstand. Aus der Perspektive der beiden Franco-Anhänger und des Leninisten, die sich als die wahren Patrioten eines demokratischen Spaniens entpuppten, erzählt der Romancier Javier Cercas die wechselvolle Geschichte seiner Heimat nach der Franco-Diktatur. Bis heute kennt jeder Spanier die Fernsehbilder des Putsches, die live aus dem Parlament in die Wohnzimmer der Bürger übertragen wurden.

Ohne zu zögern beendete König Juan Carlos als Oberbefehlshaber der Streitkräfte mit seinem berühmten Fernsehplädoyer für die Fortsetzung der Demokratisierung den Putsch. Auch nach 30 Jahren vermag Cercas im Putschversuch nur eine "typisch spanische Groteske" zu sehen: sowohl mit Blick auf die beteiligten Putschisten als auch auf ihre Planungen. Cercas hat ein perfekt recherchiertes Sachbuch vorgelegt. Es zeugt von einer enorm großen sprachlichen und bildlichen Intensität.

Javier Cercas:

Anatomie eines Augenblicks. Die Nacht, in der Spaniens Demokra-tie gerettet wurde.

S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2011; 570 S., 24,95 €

Das Korengal-Tal liegt an der afghanisch-pakistanischen Grenze und gilt als "das Afghanistan von Afghanistan: zu abgelegen, um erobert zu werden, zu arm, um sich einschüchtern zu lassen, zu autonom, um sich kaufen zu lassen". Die US-Streitkräfte errichteten dort einen Stützpunkt und einige Vorposten, um das Einsickern der Taliban aus Pakistan zu verhindern. Auf einem dieser Außenposten verbrachte der amerikanische Schriftsteller Sebastian Junger als "embedded journalist" 2007 fast ein Jahr mit den Soldaten eines Platoons.

Für Junger - international bekannt geworden durch seinen verfilmten Bestseller "Der Sturm" - wie für "sein Platoon" spielten die politischen Aspekte des Krieges keine Rolle: Warum die USA in Afghanistan sind und welches Ziel Washington dort verfolgt? In den Gesprächen der Soldaten wurden diese Fragen nicht gestellt. Sie gehen auf Patrouille und versuchen, den Feind zu töten. Sonst werden sie selbst oder ihr Kamerad getötet. Um den Krieg zu überleben, so stellt Junger fest, seien Kameradschaft und Liebe für die Soldaten das Wichtigste - nicht die Ideologie. Nur dadurch überwinde man die Angst im Feuergefecht - auch wenn es nur 20 Sekunden anhalte - oder wenn der Platoon in einen Hinterhalt gerate. Die erfahrenen Soldaten handelten intuitiv immer richtig: sie schützen ihre Kameraden. Deshalb überschreibt Junger die drei Kapitel seines Buches auch mit: Angst, Töten, Liebe.

Die Literaturhinweise am Ende des Buches verweisen auf komplexe wissenschaftliche Untersuchungen: Junger zitiert neuropsychologische und militärisch-soziologische Studien über das Verhalten der Soldaten in Kampfhandlungen. Er vergleicht diese Untersuchungen mit seinen persönlichen Erfahrungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Soldaten nach ihrem Leben und den Kampfhandlungen in den Bergen Afghanistans, die sich in ihr Bewusstsein einbrannten, nicht mehr im Garnisonsalltag und im zivilen Leben der Heimat zurechtfinden.

Sebastian Jungers Kriegsberichte lesen sich wie ein klassisches Drama, vergleichbar nur mit dem jungen Leo Tolstoj, der aus dem Kaukasus und dem Krimkrieg berichtete. Jungers Interesse gilt vor allem den Menschen, "die mit Ereignissen konfrontiert sind, von denen sie mühelos vernichtet werden können".

Sebastian Junger:

War. Ein Jahr im Krieg.

Blessing Verlag. München 2010; 336 S., 19,95 €