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Kurz rezensiert : Kurz notiert

26.04.2011
2023-08-30T12:16:42.7200Z
4 Min

Wie konnte es dazu kommen, dass nach dem Ende des Kalten Kriegs, konkret während der "imperialen Präsidentschaft" von George W. Bush, die demokratischen Grundlagen der USA derart beschädigt wurden? Warum war in den USA von einer Verfassungskrise die Rede? Auf diese komplexen Fragen versucht einer der besten Kenner der US-Nachkriegspolitik, Bernd Greiner, zu antworten.

Wie kein anderer Präsident vor ihm habe George W. Bush seine Amtsbefugnisse ausgeweitet. Unter dem Schutzschild der "nationalen Sicherheit" und der Wahrung der "nationalen Interessen" habe er ohne Absprache mit dem Kongress Maßnahmen angeordnet, die die Freiheiten der Bürger einschränkten. Im Gespräch mit dem Journalisten Bob Woodward sagte der Präsident beispielsweise: "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendwem eine Erklärung schuldig bin." Greiner vergisst auch nicht, die Rolle von Vize-Präsident Richard Cheney bei der "Selbstermächtigung der Exekutive" zu beleuchten. Denn tatsächlich war es Cheney, der den Kongress aus den Entscheidungsprozessen insbesondere in der Frage von Krieg oder Frieden ausschloss.

Gleichwohl bleiben kritische Anmerkungen: Kaum jemand würde bezweifeln, dass der linksextremistische Terrorismus - zum Beispiel der RAF - mit Anti-Kapitalismus und Marxismus-Leninismus in Verbindung steht. Professor Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung versteigt sich jedoch zu der Behauptung, die Selbstmordattentäter von 11. September 2001 hätten mit dem Islam nichts zu schaffen. Der Autor führt die Attentate zwar auf soziale Entwurzelung und Antiamerikanismus zurück, religiöse Motivationen nennt er jedoch nicht.

Über diese und andere Aussagen sollte man mit Greiner streiten. Sie mindern den Wert seiner exzellenten Arbeit jedoch kaum. Sie fasst die besten in den USA veröffentlichten Studien und journalistischen Recherchen der letzten zehn Jahre zusammen. Zugleich ist dem Autor eine gut lesbare Analyse der Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September gelungen.

Bernd Greiner:

9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen.

C.H. Beck Verlag, München 2011; 280 S., 19,95 €

In den USA tobt seit Jahren ein Krieg, den der US-Kongress lieber ignoriert, meint der ehemalige "Nationale Koordinator für Sicherheit, Infrastrukturschutz und Antiterrorismus", Richard A. Clarke. Viele Jahre hatte er Präsident Bill Clinton im Range eines Kabinettsmitglieds beratend zur Seite gestanden. Nach dem 11. September 2001 beschuldigte der "Antiterror-Zar" die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, Präsident George W. Bush falsch über die terroristischen Bedrohungen informiert zu haben. Zermürbt trat er schließlich im Jahr 2003 von seinen Ämtern zurück und verließ endgültig das Weiße Haus.

In seinem neuesten Buch kritisiert er nicht nur Präsident Barack Obama, sondern vor allem den Kongress; keiner seiner 28 Ausschüsse und Unterausschüsse beschäftige sich mit der Gefahr von Cyberkriegen gegen die USA. Konkret bezieht sich Clarke auf Internetangriffe aus China und Russland. Der Kongress scheue vor notwendigen Regulierungsmaßnahmen zurück. Die einflussreichen Geldgeber aus der IT-Branche, die Energieunternehmen, die Leitungsbetreiber und die Telekommunikationsgesellschaften hätten dafür gesorgt, dass strenge Sicherheitsvorschriften für das Netz in weite Ferne gerückt seien. Mit zahlreichen Beispielen belegt Clarke seine These, dass sich die USA stärker vor Angriffen aus dem Internet schützen müssen. Denn die US-Wirtschaft sei wie keine andere vernetzt. Insbesondere die lebenswichtigste, "kritische Infrastruktur" könne kaum vor feindlichen "Bomben" aus dem Web geschützt werden.

Clarkes zornige Kritik passt allerdings nicht zu seinem Bericht über die Vorbereitungen des Pentagon für einen virtuellen Krieg: Seit Oktober 2009 leitet immerhin ein Vier-Sterne-General das neue "Cyber-Command". Dessen Aufgabe besteht darin, die Informationstechnologien und das Internet aktiv als Waffe einzusetzen.

Clarkes informatives und empfehlenswerte Buch vermittelt den aktuellen Stand der amerikanischen Bedrohungswahrnehmungen im Internet.

Richard A. Clarke :

Word Wide War. Angriff aus dem Internet.

Hoffmann und Campe, Hamburg 2011; 351 S., 22 €