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CONTRA: ORDNUNGSGELD IM BUNDESTAG : Bußgeld mit Problem

26.04.2011
2023-08-30T12:16:42.7200Z
2 Min

Von Hans-Jochen Vogel ist überliefert, dass er sich einmal mächtig echauffiert hat über den Anblick eines Abgeordneten ohne Schlips. Der korrekte Sozialdemokrat sah die Würde des Parlaments gefährdet. Hätte Vogel gekonnt, er hätte den Sittenverderber nur zu gerne mit Bußgeld belegt - zumal es sich um einen jungen Christdemokraten handelte.

Das Hohe Haus hat den offenen Hemdkragen würdevoll verkraftet. Ob es den neuen Bußgeldkatalog ebenso schadlos wegsteckt, muss man bezweifeln.

Es ist ja menschlich ganz verständlich, dass sich die parlamentarischen Ordnungshüter ein Instrument wünschen, das ihnen eine Sanktionsstufe zwischen erhobenem Zeigefinger und Sitzungsausschluss bietet. Der Bürger wird aber schadenfroh nachrechnen, dass das Stören im Plenarsaal so teuer sein kann wie das zweite Mal ein Glas zu viel am Steuer. Und da liegt das Problem. Wenn die Würde des Parlaments plötzlich auf der gleichen Ebene gehandelt wird wie der Straßenverkehr, verliert sie an Gehalt. Anders als die Nüchternheit am Lenkrad lässt sich Würde nicht erzwingen. Sie ist auch nichts, das der Institution oder dem Gebäude anhaftet; selbst Tradition hat, siehe den Krawatten-Kasus, nur begrenzte Prägekraft.

In Wahrheit hat das Parlament genau so viel Würde, wie seine Mitglieder ihm verleihen. Deshalb ist der Ordnungsruf angemessen, wenn einer sich im Eifer des Gefechts verbal verrennt gegen eine Regel, die er im Prinzip anerkennt. Deshalb ist der Sitzungsausschluss richtig beim bewussten Regelbruch. Das Ding dazwischen hat nur einen Vorzug: Man erspart sich den Knüppel und die Debatte, die die Maximalstrafe stets auslöst. Das mag bequem sein. Mit Würde hat es weniger zu tun.