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Antreten zum Abspecken

BUNDESWEHR Verteidigungsminister de Maizière bekommt selbst aus der Opposition Lob für seine Reform

30.05.2011
2023-08-30T12:16:44.7200Z
4 Min

Die Bundeswehr soll nach dem Willen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zukünftig über weniger Soldaten verfügen als sein Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geplant hatte. Der Minister präsentierte am vergangenen Freitag dem Bundestag in einer Regierungserkärung sein Reformvorhaben. So soll die Truppenstärke von derzeit 220.000 Soldaten auf bis zu 175.000 gesenkt werden. Neben 170.000 Zeit- und Berufssoldaten plant de Maizière mit 5.000 Freiwilligen, die einen zwölf bis 23-monatigen Wehrdienst leisten können. Vor allem aus ihren Reihen - so die Hoffnung - soll sich der Nachwuchs an Zeit- und Berufssoldaten rekrutieren. Zu Guttenberg war in seinen Planungen noch von 15.000 Freiwilligen und einer Truppenstärke von 185.000 Soldaten ausgegangen. Doch sein Nachfolger setzt lieber auf eine realistische Zahl: De Maizière will zwar Dienststellen für 15.000 Freiwillige bereitstellen, aber er hat Zweifel daran, dass sich genügend junge Frauen und Männer für den Freiwilligendienst melden werden.

»Vernunft und Sachlichkeit«

Der Minister warb in seiner Rede eindringlich bei der Opposition, an der Reform der Streitkräfte mitzuwirken. SPD und Bündnis 90/Die Grünen signalisierten ihm in der Debatte dann auch ihre Bereitschaft, seine Reformvorstellungen zumindest in den Grundzügen mitzutragen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, lobte, dass mit de Maizière wieder "ein Stück weit Vernunft und Sachlichkeit" ins Verteidigungsministerium zurückgekehrt sei. Sein Vorgänger habe die Reform der Bundeswehr sehr "oberflächlich" betrieben. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hob als positiv hervor, dass das "Schaulaufen" von zu Guttenberg ein Ende gefunden habe.

Selbst Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, bescheinigte de Maizière, dass er offenbar eher "seriös als glamourös" plane. Eine Interventionsarmee für weltweite Einsätze lehne seine Fraktion aber weiterhin strikt ab.

Auslandseinsätze

Der Verteidigungsminister hingegen betonte ausdrücklich, dass zu den Hauptaufgaben der Bundeswehr neben der Bündnis- und Landesverteidigung die Beteiligung an internationalen Einsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union gehöre. Hinzu kämen humanitäre Hilfseinsätze im In- und Ausland, die Rettung und Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Kriegs- und Krisenregionen und Geiselbefreiungen. "Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Soldaten", führte de Maizière aus. Er argumentierte, dass sich Deutschland auch dann an internationalen Einsätzen beteiligen soll, wenn es nicht um seine vorrangig nationalen Interessen gehe. Die Bundesrepublik müsse ihrer Verantwortung in der Welt gerecht werden. Bis zu 10.000 Bundeswehrsoldaten sollen zeitgleich in zwei großen und mehreren kleineren Auslandseinsätzen verfügbar sein.

Schlankeres Ministerium Abspecken will de Maizière auch im zivilen Bereich der Streitkräfte. So soll die Zahl der Zivilbeschäftigten von derzeit 76.000 auf 55.000 sinken. Von den Personaleinsparungen sei auch sein Ministerium betroffen, dieses werde von 3.500 auf 2.000 Mitarbeiter verkleinert. Zudem sollen die Führungsstrukturen verschlankt und effizienter gestaltet werden.

Neben dem Lob aus den Reihen der Sozialdemokraten und Grünen für seine sachlichen Planungen musste sich de Maizière aber auch Kritik anhören. Es mangele ihm an dem klaren Willen, die 15.000 Freiwilligen auch wirklich zu rekrutieren, hielt ihm Rainer Arnold entgegen. Es reiche nicht aus, nur die Dienststellen zu schaffen, sondern es müsse endlich ein überzeugendes Attraktivitätsprogramm gestartet werden, um junge Frauen und Männer für den freiwilligen Wehrdienst zu motivieren. Schließlich sei eine Truppenstärke von 175.000 Soldaten schon "auf Kante genäht".

Für die Grünen hingegen plädierte Jürgen Trittin für eine noch kleinere Armee von 160.000 Soldaten. Dies genüge, wenn die Bundeswehr dafür konsequent auf internationale Einsätze ausgerichtet werde. Es zeuge von "Halbherzigkeit", wenn der Verteidigungsminister noch immer die Bündnis- und Landesverteidigung als Hauptaufgabe benenne. Dies entspreche nicht den sicherheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft.

Auf völlige Ablehnung stoßen solche Vorstellungen bei der Linksfraktion. Die Bundeswehr müsse sich wieder auf die Landesverteidigung beschränken, wie es im Grundgesetz formuliert sei, forderte Paul Schäfer. Und dafür seien 125.000 Soldaten ausreichend. Scharf kritisierte er die Äußerungen des Ministers in einem Interview am Tag zuvor, in dem er Pakistan als ein mögliches Einsatzziel der Bundeswehr genannt hatte.

Rückendeckung bekam de Maizière hingegen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder betonte, die Bundeswehr werde mit der Reform in die Lage versetzt, jene Aufgaben zu erfüllen, die "wir außenpolitisch formuliert haben". Elke Hoff, sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, mahnte allerdings an, dass Auslandseinsätze gegenüber der Öffentlichkeit und der Truppe besser begründet und legitimiert werden müssten. Über die nationalen Interessen und außenpolitischen Ziele Deutschlands müsse eine emotionsfreie und sachliche Debatte geführt werden.

Finanzierung

Bis zum Herbst will de Maizière die konkrete Struktur der Bundeswehr präsentieren und ein Stationierungskonzept vorlegen. Keine Angaben machte er über die Finanzplanung, stellte jedoch klar, dass er die Armee derzeit für "strukturell unterfinanziert" hält. Bislang hatte die Regierung Einsparungen von 8,3 Milliarden Euro bis 2015 anvisiert. Doch in der Koalition wird bereits über kleinere Sparziele diskutiert. Auch eine Herausnahme der Kosten für Auslandseinsätze aus dem Verteidigungshaushalt steht zur Debatte.

Der Minister kündigte an, dass die grundlegenden Teile der Bundeswehrreform in den nächsten zwei Jahren umgesetzt werden sollen. In sechs bis acht Jahren werde der Umbau der Truppe dann endgültig abgeschlossen sein.