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Kopflos in Brüssel

12.09.2011
2023-08-30T12:16:48.7200Z
2 Min

BELGIEN

Der Weltrekord ist längst gebrochen: Seit dem 13. Juni 2010 hat Belgien keine Regierung. Kein Land der Welt kam bisher in Friedenszeiten so lange ohne Regierung aus. Dafür, dass Belgien vom geschäftsführenden Premierminister Yves Leterme und seinem Team gelenkt wird, schlägt sich das Land jedoch erstaunlich gut. Gerade erst ist Belgien im Wettbewerbsfähigkeitsranking des World Economic Ranking um vier Plätze nach oben auf den 15. Platz geklettert. Die Rating-Agentur Moody's bestätigte dem Land in diesem Sommer eine hohe Bonität (Aa1). Moody's machte allerdings eine Einschränkung: Wenn der politische Stillstand nicht schnell genug aufgelöst werde, um eine mittelfristige Strategie für die Haushaltskonsolidierung und für Wirtschaftsreformen zu entwickeln, könnte sich die positive Einschätzung des Landes ändern.

Belgien hat in der Tat einen enormen Schuldenberg angehäuft. In diesem Jahr werden sich die Staatsschulden nach Prognosen der EU-Kommissionen auf 97 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen, dem vierthöchsten Schuldenstand in der EU. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Schulden im kommenden Jahr weiter wachsen werden, wenn auch nur unwesentlich auf 97,5 Prozent des BIP. Ein Teil der hohen Staatsverschuldung geht auf die Finanzkrise zurück. 2007, dem Jahr vor der Lehman-Pleite, beliefen sich die Verbindlichkeiten des Staates nur auf 84,2 Prozent des BIP. 2008 rettete der belgische Staat zwei angeschlagene Banken und geriet tiefer in die roten Zahlen.

"Belgien muss die Staatsausgaben auf allen Ebenen zurückfahren und Verzerrungen im Steuersystem abbauen", empfahl jüngst die OECD in ihrem Länderbericht. Solche Schritte kann jedoch nur eine neue Regierung einleiten. Mittlerweile werden Neuwahlen nicht ausgeschlossen, falls der mit der Regierungsbildung Beauftragte Vorsitzende der französischsprachigen Sozialisten, Elio di Rupo, mit seinem jüngst vorgelegten Vorschlag für eine Staatsreform keine Mehrheit unter den verhandelnden Parteien findet.