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Dank von allen Fraktionen

MIGRATION 50 Jahre nach dem Anwerbeabkommen mit der Türkei würdigt der Bundestag den Beitrag der Migranten zum Wohl der Bundesrepublik

31.10.2011
2023-08-30T12:16:51.7200Z
3 Min

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel hat seine ganz eigene Sicht auf 50 Jahre türkischer Migration in die Bundesrepublik: "Abseits aller Zahlen" sei für ihn persönlich entscheidend, dass der Vater seiner Freundin als junger Türke nach Deutschland gegangen sei, sagte Vogel vergangenen Mittwoch in der Debatte zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommen vom 30. Oktober 1961: "Ich bin dankbar dafür, dass es die türkische Einwanderung nach Deutschland gab, weil sie mir die Liebe meines Lebens beschert hat."

»Teil unserer Gesellschaft«

Für diese öffentliche Liebeserklärung erntete der 29 Jahre alte FDP-Parlamentarier Beifall aus allen Fraktionen. Auch sonst war die Aussprache über weite Strecken von Einigkeit geprägt: Vertreter aller Fraktionen dankten den türkischstämmigen Mitbürgern für ihren Beitrag zur Entwicklung in Deutschland. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), verwies darauf, dass allein zwischen 1961 und 1972 rund 750.000 Türken in die Bundesrepublik gekommen und hier "dringend als Arbeitskräfte gesucht" worden seien. Mit ihrem Einsatz hätten sie "maßgeblich zum Wohlstand unseres Landes beigetragen".

Heute lebten viele türkischstämmige Familien schon in der dritten oder vierten Generation in Deutschland, fügte Böhmer hinzu: "Sie sind Teil unserer Gesellschaft, und Deutschland ist ihre Heimat geworden", sagte sie und betonte, die Bundesregierung wolle den Migranten die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Integration müsse gefördert, aber auch gefordert werden.

Der SPD-Abgeordnete Josip Juratovic mahnte, Integration sei "mehr als nur Sprachkenntnisse" und bedeute "vor allem Identifikation, und zwar von beiden Seiten". Seine Fraktionskollegin Aydan Özoguz sagte, als "starkes Signal für das deutsch-türkische Zusammenleben" sei der "Schritt hin zu echter doppelter Staatsangehörigkeit" überfällig. Sie erinnerte zugleich daran, dass ohne die Mithilfe der "ersten Gastarbeiter" aus der Türkei das "Wirtschaftswunder" in Deutschland nicht vollendet worden wäre.

»Eine Erfolgsgeschichte«

Der FDP-Parlamentarier Serkan Tören betonte, die "türkischen Migranten der ersten Stunde" hätten "unseren Wohlstand mit begründet". Heute lebten rund 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland, von denen knapp eine Million deutsche Staatsangehörige seien. Tören verwies zugleich darauf, dass 38 Prozent der Jugendlichen türkischer Herkunft über keine Ausbildung verfügten. Es gebe aber auch positive Entwicklungen. So machten "aktuell rund 23 Prozent der Frauen mit türkischer Herkunft das Abitur gegenüber 18 Prozent der Gesamtgruppe". Insgesamt sei die Zuwanderung aus der Türkei eine "Erfolgsgeschichte".

Für Die Linke sagte ihre Abgeordnete Sabine Zimmermann, wenn diese Zuwanderung als Erfolgsgeschichte dargestellt werden könne, "dann nicht wegen, sondern trotz der herrschenden Migrations- und Integrationspolitik". Jahrzehntelang habe die Politik der Bundesregierung den Betroffenen politische und soziale Rechte verweigert. Wenn heute türkische Migranten überdurchschnittlich oft keinen Schul- und Berufsabschluss haben, sei dies auch "Folge von 50 Jahren Diskriminierung und Dequalifizierung".

Der Grünen-Parlamentarier Memet Kilic beklagte eine "Das-Boot-ist-voll-Politik", die nach der deutschen Einheit überhand genommen habe - mit verheerenden Folgen: "In Mölln und Solingen wurden türkischstämmige Emigranten verbrannt." Er mahnte, man müsse "von der Vergangenheit lernen und mutig in die Zukunft schauen".

Der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel verwies darauf, dass eine wachsende Zahl junger Türken Deutschland auch deshalb verlasse, weil sie "den Eindruck haben, dass sie wegen ihres Migrationshintergrund nicht die beruflichen Chancen bekommen, die sie aufgrund ihrer Ausbildung verdienen". Es müssten "alle ausländischen Mitbürger in unserem Land eine gute Perspektive haben, weil nur so unser Land eine gute Perspektive haben wird", sagte er.