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»Die Bürger sind keine Bittsteller«

Sozialgesetze Grüne wollen Rechtsanspruch der Leistungsempfänger stärken

23.01.2012
2023-08-30T12:17:23.7200Z
2 Min

Wer glaubt, Abgeordnete hätten den Bezug zu den Alltagsproblemen der Bürger verloren, der wurde während der Debatte über die sozialen Bürgerrechte eines Besseren belehrt. Am vergangenen Donnerstag debattierte der Bundestag über einen Antrag (17/7032), mit dem die Grünen-Fraktion mehr Rechte für Nutzer von Sozialleistungen durchsetzen will. Und gleich ihr erster Redner, Markus Kurth, hatte mehrere Beispiele aus dem Alltag parat, um zu illustrieren, wie diese Rechte oft missachtet werden. Er berichtete etwa von einem Einbeinigen, dem die Sozialbehörden die Finanzierung einer Prothese verweigerten, woraufhin es zu einem 15monatigen Rechtsstreit kam.

Sozialleistungsträger befänden sich auf einem gefährlichen Weg in die Rechtlosigkeit, beklagte Kurth deshalb. "Die Verweigerung von Leistungen gehört zum System", fügte der Sozialpolitiker hinzu. Hier habe es in den vergangenen Jahren eine "dramatische Zunahme" gegeben. Bürger würden zu Bittstellern und die Leistungsfähigkeit der Sozialsysteme werde geschwächt.

Bessere Beratung

Bündnis 90/Die Grünen fordern deshalb einen Gesetzentwurf, der die Verfahrens-, Leistungs- und Partizipationsrechte der Nutzer sozialer Leistungen stärkt. Ferner solle der Beratungsanspruch gegenüber Leistungsträgern verbessert und vorhandene Beratungsstrukturen zu einer trägerunabhängigen Beratungsinstanz weiterentwickelt werden. Leistungsberechtigte sollten einen Rechtsanspruch auf Aufstellung eines Hilfeplanes erhalten. Bezogen auf das Sozialprozessrecht verlangen die Abgeordneten, die Sozialgerichtsbarkeit als eigenständigen Gerichtszweig zu erhalten.

Für die Union dokumentiert der Vorstoß "eine gewisse Themennot der Grünen". Einen dringenden Handlungsbedarf könne er nicht erkennen, betonte Johann Wadephul (CDU). Bei mehr als 3.000 Paragrafen in den Sozialgesetzbüchern sei nicht für jeden Fall eine "wasserdichte Lösung" zu finden. Pascal Kober (FDP) sagte, es sei wichtig, so viele Menschen wie möglich aus der Abhängigkeit des Sozialstaates zu befreien. Außerdem müssten die Mitarbeiter der Behörden etwa durch entsprechende Ausbildungschancen besser unterstützt werden.

"Wenn wir über soziale Bürgerrechte diskutieren, dann geht es darum, dass Menschen nicht Bittsteller sind", betonte Anette Kramme (SPD). Hier gebe es tatsächlich "Verbesserungsbedarf". Sie unterstützte die Vorschläge für eine bessere Beratung und den Erhalt einer eigenen Sozialgerichtsbarkeit. Matthias W. Birkwald (Die Linke) betonte: "Ein würdevolles Leben kann der Mensch nur in Freiheit führen". Damit meine er aber nicht die Freiheit der Märkte, sondern eine Freiheit, die vor staatlicher Willkür schützt. Denn die Freiheit der Armen, sich als Bittsteller an den Staat zu wenden, sei eine "würdelose Freiheit". Ohne soziale Rechte blieben Freiheit und Würde nur eine Möglichkeit, die viele sich hierzulande nicht leisten könnten.