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Mario Draghis Meisterstück

WÄHRUNG Die Europäische Zentralbank versorgt Banken und Staaten effektiv mit frischem Geld. Zinssätze sinken

20.02.2012
2023-08-30T12:17:26.7200Z
3 Min

Zu wenig Geld ist nicht das Problem in Europa. Die Europäische Zentralbank (EZB) gibt gerne und reichlich. Die ursprünglich allein auf Preisstabilität verpflichteten Währungshüter in Frankfurt am Main übernehmen in der Staatsschuldenkrise eine weitere Aufgabe: Sie versorgen die klammen Staaten und Banken mit frischem Geld. Als sich Europas Staatsmänner auf den ersten Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro geeinigt hatten, für den Deutschland mit 211 Milliarden Euro mitbürgt, wollte und sollte die EZB nicht abseits stehen. Seitdem kaufte und kauft sie Staatsanleihen vorwiegend aus den mit Finanzproblemen und hohen Schuldzinsen kämpfenden südeuropäischen Euroländern.

Wenig Widerstand

Der Widerstand in der EZB gegen diese wundersame und von konservativen Wirtschaftwissenschaftlern wegen der angeblichen Inflationsgefahr kritisierten Geldvermehrung hatte sich schnell gelegt, nachdem Bundesbank-Präsident Axel Weber und der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark ihren Rücktritt erklärt hatten. Die positiven Folgen des Geldsegens der von dem Italiener Mario Draghi geführten Zentralbank sind nicht von der Hand zu weisen: Herabsetzungen von Ratings der internationalen Agenturen müssen die Regierungen in Rom, Madrid, Lissabon, Dublin und selbst in Paris nicht mehr fürchten. Durch den Geldsegen aus Frankfurt sanken sogar die Zinssätze, die hochverschuldete Euroländer den Investoren für Umschuldungen oder Aufnahme zusätzlicher Schulden zahlen mussten. Nachdem Italien, Frankreich und Österreich ihren Spitzennote "AAA" bei Standard und Poor's bereits Mitte Januar verloren hatten, stufte jetzt mit Moody's eine weitere internationale Ratingagentur die Kreditwürdigkeit von Spanien, Italien, Portugal, Slowenien, der Slowakei und von Malta herab.

Ratings ohne Wirkung

Auf die Kapitalmärkte hatten die Herabstufungen keine Auswirkungen: Die Zinssätze sanken trotzdem. So ging der Effektivzins italienischer dreijähriger Anleihen von sieben auf 3,5 Prozent zurück, der für spanische von 6,1 auf 2,6. "Für die Finanzminister der Mittelmeerländer ist dies eine tolle Sache, sie können sich jetzt noch billiger verschulden als noch vor ein paar Wochen", schrieb die Wirtschaftswoche. Börsen-Beobachter sehen sogar Hinweise, dass ein bisher kleiner Teil der an Banken verliehenen EZB-Milliarden an die Aktienbörsen geflossen ist und den dahindämmerdnen Kursen einen unerwarteten Auftrieb gegeben hat.

Ramschpapiere?

Die EZB dürfte inzwischen Wertpapiere in einem Volumen von 2,7 Billionen Euro in ihren Büchern stehen haben. Wie viele davon den Namen "Wertpapier" nicht mehr verdienen und in Wirklichkeit Ramschpapiere wie früher von Lehman Brothers sind, weiß niemand genau zu sagen. Allein 220 Milliarden Euro der von der EZB gehaltenen Papiere sollen aus den südlichen Euroländern stammen, darunter etwa 50 bis 55 Milliarden aus Griechenland.

Die griechischen Papiere sind zur Zeit ein besonderes Problem. Die Euroländer wollen Griechenland helfen und durch einen Schuldenschnitt die Finanzlage des unter einer schweren Wirtschaftskrise leidenden Landes erträglicher gestalten. Würde nun die EZB sich an der Schuldenreduzierung beteiligen und auf einen Teil ihrer Forderungen gegen Griechenland verzichten, wäre dies ein klarer Verstoß gegen ihre eigenen Statuten, die eine direkte Staatsfinanzierung verbieten. Eine von mehreren denkbaren Lösungen könnte im Verkauf der Griechenland-Anleihen an den Rettungsfonds EFSF bestehen. Darüber wird derzeit beraten.

Draghi hat allerdings noch mehr Pfeile im Köcher, um den Geldkreislauf in Europa aufrecht zu halten. Da sich die Banken in der Eurozone gegenseitig nicht mehr trauen und sich kein Geld mehr leihen, ist die EZB auch an dieser Front aktiv. Ende Dezember bot sie Drei-Jahres-Kredite zu einem Traumzins von einem Prozent an. Zugreifen durften allerdings keine privaten Bauherren, sondern nur Banken. Und die machten reichlich Gebrauch von der Offerte. 500 Milliarden Euro holten die Banker bei Draghi ab. Das Geld dürfte überwiegend in Staatsanleihen europäischer Länder angelegt worden sein. Den Kosten des Geldes von einem Prozent stehen Erträge von mindestens zwei Prozent bei den als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen (Laufzeit zehn Jahre) gegenüber. Banker, die in südeuropäische Anleihen investieren, können sogar richtig saftige Profite einstreichen.

Ende Februar will Draghi sein Meisterstück vorlegen. Dann soll es eine Billion Euro für Europas Banken zu Minizinisen geben. Es wäre die größte Geldinfusion der Weltgeschichte.