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Kurz notiert

16.04.2012
2023-08-30T12:17:30.7200Z
8 Min

Für die Bundestagsfraktionen ist die französische Präsidentschaftswahl eine Weichenstellung für Europa. Die Positionen im Überblick:

Die deutsch-französische Zusammenarbeit war und ist entscheidend für das Fortschreiten der europäischen Integration. Gerade in Zeiten der Staatsschuldenkrise brauchen wir ein starkes Frankreich in Europa. Dafür steht Präsident Sarkozy. Er ist ein Partner, der bereit ist, gemeinsam mit Deutschland und allen anderen europäischen Mitgliedstaaten, den Weg der Reformen hin zur europäischen Stabilitätsunion weiterzugehen. Wir haben den Euro. Jetzt müssen wir für eine stärkere politische Integration und eine stärkere wirtschaftspolitische Koordination in der EU sorgen. Mit dem Fiskalvertrag haben wir bereits gemeinsam einen zentralen Baustein geschaffen. Für mehr europäische Solidarität muss auch jeder einzelne Mitgliedstaat bereit sein zu - teils tiefgreifenden - Reformen hin zu Haushaltskonsolidierung und mehr Wettbewerbsfähigkeit. Nikolas Sarkozy hat sich im Wahlkampf klar zum Reformkurs bekannt und wird ihn nach seiner Wahl auch umsetzen.

Wir sind uns mit François Hollande und unseren Partnern in der Partie Socialiste darin einig, dass Fiskalpakt und ESM nicht der Schlussstrich für das europäische Rettungswerk sein dürfen. Insofern verbinden wir mit Hollande die Perspektive, den Notoperationen, die bislang maßgeblich von der Kanzlerin und Präsident Sarkozy betrieben worden sind, eine wirtschaftspolitische Perspektive hinzuzufügen. Der deutsch-französische Motor kann durch eine gemeinsame Politik wichtige Wirtschaftsimpulse für Wachstum und Stabilität in der Eurozone geben. Mit einem Präsidenten Hollande kann die gegenwärtige exzessive Politik des Konjunkturabwürgens der südlichen Länder der Eurozone künftig zugunsten einer Wachstums- und Konsolidierungspolitik umgesetzt werden. Die Finanztransaktionssteuer bekäme eine zweite Chance.

Sowohl der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy als auch sein Herausforderer François Hollande positionieren sich im Wahlkampf leider europakritisch. Während Nicolas Sarkozy das Schengen-Abkommen in Frage stellt, will sein Herausforderer François Hollande die stabilitätsorientierte Euro-Politik revidieren. Egal wie die Präsidentschaftswahl ausgeht: Die über Jahrzehnte gewachsene deutsch-französische Partnerschaft wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen, die für jeden Präsident Frankreichs "raison d'état" ist und bleiben wird.

Durch die Kandidatur von Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront werden soziale Themen zu einem zentralen Feld der politischen Diskussion. Er will das Parlament aufwerten, die Rente mit 60 wieder einführen, den Mindestlohn erhöhen und Reichtum umverteilen. Er fordert, dass über die Wirtschaftpolitik der EU in Zukunft das Volk entscheiden soll. Insbesondere seine Ablehnung des "Merkozy"-Fiskalpaktes als brutales Spardiktat und des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der nur Banken und Investoren rettet, finden breite Zustimmung. In seinem Wahlkampf für ein sozial gerechtes Frankreich zeigt Mélenchon die Möglichkeit einer anderen Politik auf. So besteht die Chance, dass einer der wichtigsten EU-Staaten endlich wieder eine andere Wirtschaftpolitik im eigenen Land durchsetzt und auf europäischer Ebene einfordert. Dies kann dazu beitragen, eine Verschiebung der Politik in Richtung eines sozialen Europas durchzusetzen.

Die Grüne Kandidatin Eva Joly fordert am entschiedensten mehr europäische Entscheidungsfähigkeit gegen die Krise der Politik und für die Lösung der Schuldenkrise. In der zweiten Runde unterstützen überzeugte EuropäerInnen den Sozialisten Hollande gegen den konservativen Amtsinhaber. Sarkozy hat mit der Schließung der freien Grenzen in Europa gedroht, um Einschränkungen für Migranten zu erpressen. Auch deshalb ist Hollande mit Forderungen nach einem solidarischeren Europa die bessere Wahl. Die Grünen teilen Hollandes Überzeugung, dass Europa nur erfolgreich sparen kann, wenn ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm die Rezession in EU und Eurozone überwindet. Wie auch wir fordert er eine Finanztransaktionssteuer (FTS), die alle Finanzmarktgeschäfte betrifft, auch die riesigen Umsätze mit Devisen und Derivaten, nicht nur Aktien.

Städte- und Gemeindepartnerschaften

Sie bilden das Grundgerüst, das die deutsch-französische Freundschaft trägt: die grenzüberschreitenden Partnerschaften zweier Städte, Gemeinden und Regionen. Rund 2.200 solcher Partnerschaften gibt es heute, wie das deutsch-französische Internetportal der Außenministerien beider Länder informiert. Bereits im Jahr 1950 unterzeichneten die ostfranzösische Stadt Montbéliard und das baden-württemberische Ludwigsburg den Vertrag zur ersten deutsch-französischen Städtepartnerschaft. Für ihre vorbildhaften städtepartnerschaftlichen Beziehungen erhielten beide Städte 1988 den Adenauer-de-Gaulle-Preis. Ursprünglich standen die Städtepartnerschaften im Zeichen der deutsch-französischen Aussöhnung. Inzwischen gibt es vielfältige Kooperationen in den Bereichen Kultur, Jugendaustausch, Sport, Wirtsschaft, Tourismus, Forschung und Politik. In den Grenzregionen ist die Zusammenarbeit traditionell am weitesten fortgeschritten, jedoch bestehen auch eine Reihe von Partnerschaften weit auseinanderliegender Städte, beispielsweise von Frankfurt/Oder und der südfranzösischen Stadt Nimes. Im Jahr 1951 gründeten deutsche und französische Bürgermeister den Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE). Diese europaweite Organisation der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften mit Sitz in Paris fördert die Partnerschaftsarbeit intensiv. Neben den Städten unterhalten auch die Bundesländer Partnerschaften zu Regionen in Frankreich, so Niedersachsen mit der Haute Normandie und Sachsen mit der Bretagne.

Deutsch-Französisches Jugendwerk

Die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) geht auf den Élysée-Vertrag von 1963 zurück. In der gemeinsamen Erklärung zum Vertrag wurde der Jugend "eine entscheidende Rolle bei der Festigung der deutsch-französischen Freundschaft" beigemessen. Um die Begegnung und den Austausch von Schülern, Studenten, jungen Handwerkern und jungen Arbeitern zwischen beiden Ländern zu fördern, sah der Élysée-Vertrag die Schaffung eines Austausch- und Förderungswerks vor. Mit dem DFJW wurde dieses von Bundekanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle am 5. Juli 1963 aus der Taufe gehoben. Im Gründungsabkommen wird als Aufgabe des Jugendwerks genannt, "die Bande zwischen der Jugend der beiden Länder enger zu gestalten und ihr Verständnis füreinander zu vertiefen". An dieser Aufgabenbeschreibung hat sich grundsätzlich auch mit dem neuen Abkommen aus dem Jahr 2005 nichts geändert. Das DFJW fördert den Jugendaustausch und Jugendprojekte zwischen Deutschland und Frankreich. Dazu gehören unter anderem Schüler- und Studentenaustausch, berufliche Praktika, Sportbegegnungen und Sprachkurse. Seit dem Jahr 1963 hat das Jugendwerk nach eigenen Angaben mehr als acht Millionen Franzosen und Deutschen die Teilnahme an rund 300.000 Austauschprogrammen ermöglicht. Das DFJW fördert jedes Jahr mehr als 6.500 Gruppen- und rund 4.300 Individualaustauschprogramme, an denen rund 200.000 Jugendliche teilnehmen. mpi

»Die Vereinigten Staaten von Europa«

In 100 Jahren, da ist Volker Beck überzeugt, "wird man über deutsch-französische Beziehungen nur noch im Geschichtsunterricht sprechen." Die neue Bahnhochgeschwindigkeitsstrecke Berlin-Köln-Paris wird eröffnet werden und Arte wird dazu ein Feature ausstrahlen, erwartet der Grünen-Abgeordnete. In den "Vereinigten Staaten von Europa"werden sich die Bürger 2112 schon längst vom "Nationalpatriotismus des 19. und 20. Jahrhunderts" verabschiedet und eine "europäische Identität" entwickelt haben, "die auf der Universalität der Menschenrechte gründet".

Für den Grünen-Politiker ist es selbstverständlich, dass es im Europa des nächsten Jahrhunderts keine Atomkraft mehr geben wird. Allerdings, so schätzt Volker Beck die Situation in der Zukunft ein, werden im "heutigen Staatsgebiet von Deutschland und Frankreich" Flüchtlinge leben. Längst werden die Europäer nicht mehr tatenlos dabei zusehen, wie sie ertrinken oder verdursten auf ihrem Weg nach Europa. Es werden laut Beck Klimaflüchtlinge sein, "die wegen unserer heutigen Versäumnisse im Klimaschutz ihre Lebensgrundlagen verloren und fliehen mussten".

»Drei im Baguette«

Der SPD-Abgeordnete Günter Gloser hat die Vision, dass seine Heimatstadt Nürnberg und die langjährige Partnerstadt Nizza in 100 Jahren den 87. Geburtstag der "kulinarischen Botschaft 'Drei im Baguette'" begehen. Mit "Drei", erklärt er für Nicht-Franken, sind natürlich die original Nürnberger Rostbratwürste gemeint. McDonald's werde es dagegen weit und breit nicht mehr geben. Desweiteren, da ist Gloser überzeugt, wird der deutsch-fanzösische Kulturkanal Arte in beiden Ländern marktführend sein - allein schon, weil ARD und ZDF ihr "Talkshowangebot auf acht Sendungen pro Tag erweitert haben" werden. Volksmusik soll in 100 Jahren beim Musiksender Viva dominieren. Lufthansa und Air France gehen in einem Unternehmen auf, ebenso die Deutsche Bahn und ihr französisches Pendant, die SNCF. Außerdem sind 2112 deutsch-französische Elektromobile "der Renner" und alle Kernkraftwerke abgeschaltet.

Neben Wirtschaftskonzernen verschmelzen auch die Regierungen; in seiner Vision unterhalten beide Staaten weltweit nur noch gemeinsame Botschaften und die französische Präsidentin wird erneut Vorsitzende der "deutsch-französischen Regierungsmannschaft" sein.

»Die große Endlager-Katastrophe«

Im Jahre 2112 werde Europa, das prophezeit Ulrich Maurer, vor der Frage stehen "wie man die europäischen Endlager besser isolieren kann", um nicht, wie bereits 2086 vor der "großen Endlager-Katastrophe von Europa zu stehen". Für den Abgeordneten der Linksfraktion werden in 100 Jahren Energiefragen eindeutig im Fokus Deutschlands und Frankreichs stehen: "Wichtigste Aufgabe der europäischen Wählerinnen und Wähler wird die Entscheidung sein, was man mit der Überproduktion von Energie durch erneuerbare Ressourcen macht." 2112 werde es aber kein eigenständiges Deutschland oder Frankreich mehr geben - und auch kein Europäisches Parlament: Es wurde "via Online-Volksabstimmung" aufgelöst und die "europäischen Wählerinnen und Wähler der ehemals 32 Staaten" werden "via Cybernet über ihre Gesetze abstimmen", da ist sich Maurer sicher.

Infolge einer Finanzkrise 2108 hätten sich "sich die ehemaligen Staatsoberhäupter aus Deutschland und Frankreich" mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, "endlich alle Banken zu vergesellschaften", anschließend folge eine Währungsreform sowie die Einführung einer Reichensteuer und der Rente mit 58.