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Im Schicksal verbunden

VON KONRAD ADENAUER

16.04.2012
2023-08-30T12:17:30.7200Z
2 Min

Immer wieder haben auch in den vergangenen Jahrzehnten Staatsmänner beider Länder versucht, dieses Spannungsverhältnis zwischen Frankreich und Deutschland aus der Welt zu schaffen. Aus unserer jüngsten Geschichte erinnere ich an die Versuche während der Weimarer Republik, die durch die Namen Stresemann und Briand gekennzeichnet sind. Diesen Versuchen waren schon jahrzehntelang vorher Bemühungen Bebels vorausgegangen. Unendlich viel Blut, meine Damen und Herren, Blut und Leid wäre(n) Franzosen und Deutschen, Europa und der Welt überhaupt erspart worden, wenn diese Versuche damals gelungen wären.

Uns und der Welt wären der Nationalsozialismus, dessen Wurzeln aus dem nicht zustande gekommenen Ausgleich zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Kriege von 1914 bis 1918 ihre verderbliche Nahrung gezogen haben, und der letzte Weltkrieg erspart worden. Wären diese Versuche geglückt, so hätten die Geschichte der beiden Völker und die Geschichte Europas einen anderen Verlauf genommen. Jetzt bietet sich uns, meine Damen und Herren, die Gelegenheit, diese Spannungen zwischen den Nachbarländern für immer zu beenden. (...)

Dem Willen beider Völker, in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben, diesem Willen zweier Völker, die jahrhundertelang sich als Erbfeinde gegenübergestanden hatten, galt es Ausdruck zu geben. Dies Gefühl der Schicksalsgemeinschaft und der Verbundenheit für alle Zukunft zu sichern, - diesem Zweck, meine Damen und Herren, dient der vorliegende Vertrag.

Anmerkung der Redaktion: Diese Worte wählte Bundeskanzler Adenauer (CDU) am 25. April 1963 im Bundestag zu Beginn der Debatte über die Ratifizierung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, der als Élysée-Vertrag in die Geschichte einging. Längst sind die beiden Nationen, die seinerzeit ihre Verbundenheit besiegelten, die wichtigsten Kräfte im europäischen Gefüge. Sie sind gefragt als Krisen-Manager und Euro-Retter im Zeichen zweier Ereignisse, die zusätzlich Anlass für diese Themen-Ausgabe geben: Die anstehende Präsidentschaftswahl in Frankreich und der 50. Jahrestag der Unterzeichnung jenes Élysée-Vertrages, der seine Schatten vorauswirft. Den Wortlaut der Debatte zum Frankreich-Vertrag finden Sie übrigens in dieser Ausgabe - als Faksimile der Ausgabe von "Das Parlament" aus dem Mai 1963.