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Kurz notiert

14.05.2012
2023-08-30T12:17:31.7200Z
6 Min

Lammert würdigt Baring als "Großen seiner Zunft"

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat den Historiker und Publizisten Arnulf Baring anlässlich seines 80. Geburtstages am 8. Mai als einen "der Großen, der Wichtigen" seiner Zunft gewürdigt. Baring sei in seiner Arbeit "mindestens so produktiv wie provozierend", schrieb Lammert in seinem Glückwunschschreiben. Es sei eine seltene und nicht selbstverständliche Fähigkeit, sowohl scharfe wissenschaftliche Analysen als auch allgemeinverständliche Publikationen verfassen zu können. Ende der 90er Jahre erlangte Baring durch seine Bücher "Scheitert Deutschland?" und "Es lebe die Republik, es lebe Deutschland" auch außerhalb der Wissenschaft Bekanntheit. ",Einmischen statt raushalten' ist - so hat es einmal ein Beobachter formuliert - Ihre persönliche Losung, und wer Ihre zahlreichen klugen Beiträge zu vielen historischen Themen und tagesaktuellen Debatten kennt, wird das für eine zutreffende Beschreibung halten", schrieb Lammert an Baring.

SPD scheitert mit Antrag zum Bologna-Prozess

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag den Antrag der SPD-Fraktion (17/9604) zur sozialen Dimension des Bologna-Prozesses bei Enthaltung der Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen am vergangenen Donnerstag abgelehnt. Die Sozialdemokraten hatten mit Verweis auf die steigende Zahl von Studienanfängern die Bundesregierung aufgefordert, die soziale Infrastruktur mit geeigenten Maßnahmen und zusätzlichen Finanzmitteln auszubauen. Dazu gehörten günstige und stu-dienortnahe Wohnungen, gutes und bezahlbares Essen, eine qualifizierte Studien- beratung sowie Kinderbetreuungseinrichtungen für studierende Eltern. Nach Expertenschätzungen werden wegen der Aussetzung der Wehrpflicht, der Verkürzung der Schulzeit und eine steigende Studierneigung zum Wintersemetser 2011/2012 rund 500.000 Menschen in Deutschland ein Studium beginnen.

Ausgaben für Kulturarbeit der Vertriebenen gestiegen

Der Bund hat die Kulturarbeit der Vertriebenenverbände in den Jahren 2009 und 2010 mit rund 34 Millionen Euro unterstützt. Dies geht aus dem "Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß Paragraf 96 des Bundesvertriebenengesetzes" (17/9401) hervor, über den der Bundestag am vergangenen Donerstag beriet. Alle Fraktionen betonten die große Bedeutung dieser Kulturarbeit für die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn in Europa. Kritik wurde von Seiten der Opposition an der Besetzung des Stiftungsrates der Stiftung "Flucht, Verteibung und Versöhnung" geübt, die der Bund mit jährlich 2,5 Millionen Euro unterstützt. Mit Arnold Tölg und Hartmut Saenger seien zwei Vertriebenenfunktionäre benannt worden, die sich gegen die Entschädigung der Zwangsarbeiter des NS-Regimes ausgesprochen und Polen die Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zugeschoben hätten, bemängelten Luc Jochimsen (Linke) und Claudia Roth (Grüne). Aus Protest lasse der Zentralrat der Juden seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat bis heute ruhen. Die Regierung verschweige dies in ihrem Bericht.

Ist große Politik ohne Größenwahn möglich? Nein, findet der Hauptstadtkorrespondent der "Leipziger Volkszeitung", Dieter Wonka. Zu einem gegensätzlich Befund kommt der "Stern-Journalist" Hans-Ulrich Jörges: Größenwahn sei in der politischen Klasse ein "ausgestorbenes Phänomen", stattdessen habe eine "Ära der Demut" eingesetzt. Es ist eine vielstimmige Diskussion mit gänzlich unterschiedlichen Ansichten, die der erste Band der "Edition Lingen Stiftung" mit dem Titel "Größenwahn und Politik" anbietet. Er lässt Journalisten und Politiker gleichermaßen zu Wort kommen und darüber nachdenken, wie gefährlich die Mischung aus "Torheit, Größenwahn und Borniertheit" ist.

Dabei fällt eines auf: Während die Politiker, die sich in dem Band äußern, dies ausgesprochen vorsichtig und fast schon übermäßig selbstkritisch tun, nutzen einige der Journalisten die Gelegenheit, mal richtig draufzuhauen. Wo der ehemalige Finanzminister Theo Waigel einräumt, kein Politiker sei vor Fehlern gefeit, und der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bekennt, es sei leicht, die Bodenhaftung zu verlieren, wenn man allzu oft in den Medien auftauche, beschwert sich Ex-"Bild"-Kolumnist Mainhardt Graf von Nayhauß über die "Großkopferten", die sich an "Insignien der Macht" klammerten. Er sei in 55 Berufsjahren nur einem einzigen Politiker begegnet, der frei von Größenwahn und Eitelkeit geblieben sei.

Wie stark aber auch Journalisten gefährdet sind, "sich gern mal vor, neben und über Gesetz und Moral" zu stellen, stellt der Publizist Hajo Schumacher fest: So engagiert die "berufsmäßigen Empörer sich über jeden Schoppen Freiwein bei Politikern aufregen, so gemäßigt fällt die Kritiklust in der eigenen Branche aus". Und so gilt das Fazit des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin für Politik und Medien in gleicher Weise: "Nimmt man die tägliche Portion von Ehrerbietung und Schmeichelei für bare Münze, so setzt sachte eine Veränderung der Persönlichkeit ein, und die Basis für die Herausbildung von Größenwahn ist gelegt."

Mainhardt Graf Nayhauß (Hrsg.):

Größenwahn und Politik.

Edition Lingen Stiftung, Köln 2012; 112. S., 9,95 €

Viele, die ihre Erfahrungen mit der deutschen Politik noch in Bonn gemacht haben, schwärmen davon noch heute: So beschaulich sei der damalige Regierungssitz gewesen, man habe einander gekannt und vertraut und sich darauf verlassen können, dass nicht alle Verfehlungen gleich öffentlich gemacht werden. So lautet das - meist männliche - Fazit. Andere Erinnerungen hat dagegen die ehemalige "Spiegel"-Journalistin Ursula Kosser. Gemeinsam mit anderen Journalistinnen und auch Politikerinnen, die wie sie in den 1970er und 80er Jahren nach Bonn gingen, erinnert sie sich an ein Biotop, in dem junge Frauen "auf die alteingesessenen Bonner Machos trafen und diese alles taten, um den jungen Hennen das Gefieder zu stutzen". Zeiten, in denen ein Abgeordneter einer Journalistin Sexspielzeug schickte, um eine "gute, gerne auch sehr gute Zusammenarbeit" einzuläuten, oder ein Bonner Chefredakteur ungestraft zu seiner Assistentin sagte, sie sei "so doof, Ihnen sollte man mit einer stumpfen Klinge die Klitoris beschneiden".

In ihrem Buch "Hammelsprünge" beschreibt Kosser ein "Bonner Männergetümmel", in dem gegrabscht und angemacht wurde, in dem Minister und Pressesprecher noch vollkommen unbehelligt ein- und zweideutige Kommentare zu Aussehen und Talent von Journalistinnen und Politikerinnen machen konnten. Gewehrt habe sich damals kaum eine Frau.

Bei Kosser liest sich das gelegentlich irritierend leicht, als sei das alles nur ein humorvoller Rückblick. Nur ganz zum Schluss formuliert Kosser, dass sich auch heute noch vieles bewegen müsse. Sie habe, so schreibt sie, in den 80er Jahren eine Quote abgelehnt. Heute hält sie ihren Glauben und den ihrer Kolleginnen, man könne allein über Leistung vorankommen, für naiv. Ursula Kosser wünscht, dass irgendwann stimmen möge, wovon ihre Teenager-Tochter überzeugt ist: "Wenn einer dieser XXL-Machos wagen würde, das mit uns zu machen, der würde ja so was von auf die Schnauze fallen!"

Ursula Kosser:

Hammelsprünge. Sex und Macht in der deutschen Politik.

DuMont Buchverlag Köln 2012; 256 S., 18,99 €