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Von Fonds und Bonds

HAUSHALT Europaparlament fordert von EU-Ländern zugleich Schuldentilgung und Wachstumsinitiativen

18.06.2012
2023-08-30T12:17:32.7200Z
3 Min

Noch bevor sich vergangene Woche Regierung und Opposition auf einen Zeitplan für die Verabschiedung des Fiskalpaktes und des Euro-Rettungsschirms ESM einigten, wurden in Straßburg weitere wichtige Weichen für die Haushaltskonsolidierung getroffen. Diese stoßen in Berlin aber nicht nur auf Gegenliebe. In der vergangenen Woche fügten die Europaabgeordneten den bereits angenommenen Gesetzen zur Verschärfung des Stabilitätspakts zwei weitere Regelungen hinzu - das so genannte "Two Pack". Damit hoffen die Politiker, künftigen Krisen in der Euro-Zone vorzubeugen.

Die Europaabgeordneten gingen aber noch weiter als die EU-Kommission, die den Entwurf für das "Two Pack" bereits im Dezember vorgelegt hatte. Sie fordern, die Gesetze um einen Schuldentilgungsfonds zu ergänzen.

Idee aus Deutschland

Obwohl die Bundesregierung strikt gegen den Fonds ist, kommt der Vorschlag aus Deutschland: Der Sachverständigenrat hatte ihn Ende 2011 vorgestellt. Die Idee ist, dass alle Schulden oberhalb der im Maastricht-Vertrag vorgesehenen 60-Prozent-Obergrenze des Bruttosozialprodukts in einen Fonds ausgelagert werden. Für diesen haften die Euro-Staaten gemeinschaftlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte von Beginn an verfassungsrechtliche Bedenken, weil kein EU-Staat für die Schulden des anderen haften dürfe. Die Opposition im Bundestag hingegen plädierte für den Fonds.

Die Mehrheit im EU-Parlament befürwortete ebenfalls diese Art der Vergemeinschaftung. "Dieser Fonds ermöglicht es Euroländern, die nicht unter dem Rettungsschirm sind, günstiger Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen, sofern sie strikten Bedingungen folgen", meinte Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. "Dadurch verschafft der Fonds diesen Ländern mehr Luft zum Atmen und erleichtert den Schuldenabbau."

Der SPD-Finanzexperte Udo Bullmann betonte, dass "für den Großteil ihrer Verbindlichkeiten die Länder weiterhin alleine gerade stehen müssen". Der CDU-Abgeordnete Herbert Reul, Chef der Unions-Gruppe im EU-Parlament, lehnte die Forderung hingegen als "realitätsfernen Ballast" ab. Die Unionsabgeordneten stimmten gegen den Vorschlag. Darüber hinaus ergänzten die EU-Abgeordneten das Gesetzespaket um eine Wachstumsinitiative. Sie soll in etwa ein Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes (BIP) pro Jahr betragen, was etwa 100 Milliarden Euro entspricht. Damit sollen große Infrastrukturprojekte gefördert und Jobs geschaffen werden. Gleichzeitig plädierte die Mehrheit auch für die Einführung der in Deutschland umstrittenen Euro-Bonds.

Streit um Stabilitätsbonds

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte in Straßburg zu, bis zum Herbst Gesetzentwürfe für die Fonds vorzulegen. "Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion über die Vergemeinschaftung nationaler Schulden in Form von Stabilitätsbonds", erklärte der Portugiese. Währungskommissar Olli Rehn fügte im Straßburger Plenum hinzu, dass die Verlagerung der Kontrolle auf die EU-Institutionen ein Kernstück im Kampf gegen die Krise sei. "Die Gemeinschaftsmethode wird im Zentrum des nächsten Kapitels für die künftige Gestalt des Euro stehen."

Das EU-Parlament muss jetzt in Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über das "Two Pack" treten. Die dürften jedoch schwierig werden. Bevor die Entwürfe von den Parlamentariern um die Schuldenfonds ergänzt wurden, hatten sie im Wesentlichen zum Inhalt, die Überwachung der nationalen Haushalte auszuweiten. Künftig müssen die Hauptstädte der EU-Kommission bis Mitte Oktober ihre nationalen Budgets vorlegen. Ist Brüssel der Meinung, dass die Planungen das Land zum Defizitsünder machen, kann es Korrekturen fordern. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, stellte die Pläne am vergangenen Donnerstag im EU-Ausschuss vor. "Wir stehen am Scheideweg", sagte der Kommissar für interinstitutionelle Beziehungen und Verwaltung. Das europäische Finanzsystem sei einem "extremen Druck" ausgesetzt. Daher müsse wieder Vertrauen hergestellt und hinsichtlich der Haushaltskonsolidierung ein irreversibler Prozess in Gang gebracht werden. Er widersprach Bedenken, dass das Europäische Semester die nationale Budgethoheit einschränke. "Keiner sollte davon ausgehen, dass wir in den nationalen Prozess eingreifen können", betonte Sefcovic. Es sei im Gegenteil für die Parlamentarier ein Vorteil, wenn sie neben der Meinung der nationalen Haushaltsexperten auch die der Europäischen Union kennen würden, bevor sie ihre Entscheidungen treffen würden. Deutschland habe bei der Haushaltskonsolidierung "beeindruckende Fortschritte" gemacht. Weitere Reformen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, müssten daher aber noch folgen.