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Eine Frage der Gerechtigkeit

ARBEIT UND SOZIALES Opposition will Werkverträge und Leiharbeit stärker kontrollieren

02.07.2012
2023-08-30T12:17:33.7200Z
3 Min

Mehr Aufmerksamkeit hat eine Tagung selten bekommen: Im Herbst 2011 trafen sich Vertreter großer deutscher Unternehmen, Leiharbeitsfirmen und Großkanzleien in Düsseldorf, um darüber zu beraten, wie man angesichts anstehender Mindestlöhne in der Zeitarbeitsbranche unangenehme Neuregelungen durch den Einsatz von Werkverträgen umgehen könnte. Seither gilt dieses Treffen vielen als der Beleg für die Verrohung der Sitten auf dem Arbeitsmarkt. Auch in der Debatte des Bundestags am Donnerstag wurde über dieses Beispiel gesprochen. So betonte Ottmar Schreiner, SPD-Arbeitsrechtsexperte, es gehe ihm nicht in den Kopf, wieso gut dotierte Juristen "nichts Besseres" zu tun hätten, als nachzugrübeln, wie sich der Arbeitnehmerschutz weiter aushöhlen lasse.

Drei Anträge

Doch steht das Treffen wirklich für den Beginn einer, so die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke, neuen Runde des "Lohndumping-Karussels"? Die Opposition ist davon überzeugt. In drei Anträgen der Linken (17/7220 (neu), 17/9980) und der Grünen (17/7482) fordert sie, gegen den Missbrauch von Werkverträgen vorzugehen. Ihr Hauptargument: Die Unternehmen würden Werkverträge als Alternative zur Leiharbeit nutzen, die dank gesetzlicher Lohnuntergrenzen unattraktiv geworden sei und damit deren ohnehin viel zu niedrigen Standards noch unterlaufen. Sie glauben, dass der Einsatz von Werkverträgen zur Umgehung regulärer Beschäftigung besorgniserregend ansteigt.

Die Grünen wollen Leiharbeit und Werkverträge klar voneinander abgrenzen - denn in der Realität handele es sich bei vielen vermeintlichen Werkverträgen um verdeckte Leiharbeit. Noch weiter geht Die Linke. Sie will ein "Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen", das eine sogenannte Vermutungsregel enthält. Das heißt: Erfüllt eine Tätigkeit ein bestimmtes Merkmal, soll das Vorliegen eines Leiharbeitsverhältnisses vermutet werden, bis der Arbeitgeber das Gegenteil bewiesen hat.

Die Koalition hält diese Warnungen für überzogen - und lehnte am Donnerstag zwei der Anträge ab. Der dritte (17/9980) wurde in die Ausschüsse überweisen. CSU-Arbeitsrechtsexperte Ulrich Lange betonte, die Werkverträge seien juristisch klar definiert. Arbeitnehmer seien "nicht schutzlos", da es ausreichende Regelungen und Gerichte gebe, "die sensibel mit dem Thema" umgingen. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Peter Weiß, fügte hinzu, dass es die rot-grüne Regierung gewesen sei, die die "Scheunentore für den Missbrauch der Leiharbeit riesenweit aufgemacht" habe - Schwarz-Gelb habe dagegen die "notwendige Ordnung" auf dem Arbeitsmarkt wiederhergestellt. Missbrauch der Werkverträge müsse aufmerksam verfolgt werden - da nur 1,7 Prozent der Erwerbstätigen in Werkverträgen sei, ein "relativ bescheidenes Problem".

Als Beweis für die erfolgreiche Politik der Regierung führte auch der FDP-Politiker Heinrich Kolb die aktuellen Arbeitsmarktdaten an. Neben den unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnissen trügen auch Teilzeit- und befristete Arbeitsverhältnisse sowie Minijobs und Werkverträge dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft so erfolgreich sei. Die Opposition aber stelle die gesamte Zulieferindustrie unter Generalverdacht. Auch der liberale Abgeordnete Pascal Kober forderte die Opposition auf, die Situation am Arbeitsmarkt "realistisch" darzustellen.

Als Werkverträge getarnt

Die Opposition hält die Verhältnisse dort für alles andere als traumhaft. Die Sprecherin für Arbeits- und Mitbestimmungspolitik der Linken, Jutta Krellmann, sagte, Werkvertragbeschäftigte würden von vielen Unternehmen "als billige Alternative zu tariflich Beschäftigten" genutzt. Sie würden dann noch weniger verdienen als Leiharbeiter. Dies seien keine Ausnahmefälle, es gebe aber auch keine nachprüfbaren Zahlen. Deshalb müsse Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) tätig werden und "das Schlupfloch Werkverträge" schließen und "als Werkverträge getarnte Leiharbeit" schärfer regulieren.

Für die SPD betonte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil, soziale Bürgerrechte und Arbeitnehmerrechte seien für die soziale Markwirtschaft ebenso wichtig wie die Freiheit der Unternehmer. Lohndrückerei sei nicht nur eine "Katastrophe für die Beschäftigten" - es sei auch volkswirtschaftlich vernünftig, über gute Löhne für ausreichend Kaufkraft zu sorgen, betonte er. Die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Fraktion, Beate Müller-Gemmeke, konstatierte eine "krisenhafte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt". Arbeitnehmer bewegten sich in Grauzonen, um "vermeintlich legale Konstruktionen" zu entwickeln, mit denen tarifliche Standards umgangen werden sollten. Dies führe zu einer "Zersplitterung der Arbeitswelt" und einer Zerstörung der Solidarität unter den Beschäftigten.