Piwik Webtracking Image

Frage des Vertrauens

PARLAMENTARIER Bundestag, Bürger und Medien befassen sich derzeit mit Abgeordnetenbestechung und dem Umgang mit Nebentätigkeiten. Ein demokratischer Prozess…

22.10.2012
2023-08-30T12:17:39.7200Z
4 Min

Korruption und Transparenz, der "gläserne Abgeordnete" und die "Causa Steinbrück": Begriffe, die dieser Tage die öffentliche Diskussion prägen. Eine Diskussion, in der es übergeordnet um Vertrauen geht, das Vertrauen der Bürger in die Politik, das Vertrauen der Bürger in ihre Bundestagsabgeordneten, die Volksvertreter. Doch was in der öffentlichen Wahrnehmung ein Thema ist, sind in Wirklichkeit zwei Themen:

Causa Bestechung

Zum einen ist da die Causa Abgeordnetenbestechung, Korruption: Was, wieviel und wie oft darf ein Mandatsträger als Geschenk annehmen, wo endet die Unabhängigkeit? Dieser Frage ging vergangene Woche eine Expertenrunde im Rechtsausschuss nach. Begleitet wurde sie von medienwirksam inszenierten Aktionen wie der Demonstration vor dem Reichstagsgebäude. Am Morgen hatten Vertreter von "Abgeordnetenwatch" medienwirksam im Scheinwerferlicht der TV-Kameras dem Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder (CDU) eine eigene Gesetzesinitiative überreicht. Sie war kein Thema in der Anhörung, wohl aber die Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen. Nach Meinung der SPD-Fraktion ist die Vorschrift zur Abgeordnetenbestechung nicht ausreichend, weshalb die Fraktion einen Gesetzentwurf (17/8613) eingebracht hat. Nach geltendem Recht seien Bestechlichkeit und Bestechung von Parlamentariern nur als Stimmenverkauf und -kauf bei Wahlen strafwürdig. Bis heute gebe es keine strafrechtliche Regelung, die sämtliche strafwürdigen Verhaltensweisen von Mandatsträgern im Bereich der Vorteilsannahme und -zuwendung erfasst.

Die Linksfraktion fordert in ihrem Gesetzentwurf (17/1412), Abgeordnetenbestechlichkeit in das Strafgesetzbuch aufzunehmen: Zuwiderhandeln soll mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet werden.

Die geltende Regelung werde den Anforderungen des UN-Übereinkommens gegen Korruption nicht gerecht, schreibt die Grünen-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf (17/5933). Auch die geladenen Experten sahen Handlungsbedarf. Das Thema wird den Rechtsausschuss und den Bundestag weiterhin beschäftigen. Skeptiker sahen sich an diesem Tag durch den Rücktritt des maltesischen EU-Gesundheitskommissar John Dalli bestätigt: Gründe waren Korruptionsvorwürfe.

Causa Steinbrück

Zum anderen ist da die "Causa Steinbrück", die Veröffentlichung von Verdiensten aus Nebentätigkeiten. Denn kurz nachdem die SPD ihren Kanzlerkandidaten bekannt gegeben hatte, wurde dieser in der Presse auf Herz und Nieren geprüft. Immerhin sei der Abgeordnete Steinbrück so gläsern, dass das mediale Scheinwerferlicht auf seine - lukrativen - Nebentätigkeiten fallen konnte, argumentierte der christdemokratische Parlamentarier Michael Grosse-Brömer vergangenen Donnerstag im Bundestagsplenum. Ob Bundestagsabgeordnete ihre Nebentätigkeiten auf den Cent genau veröffentlichen oder aber weiterhin lediglich in drei Stufen anzeigen sollen, war die zentrale Frage der Debatte. Gegenüber dem Bundestagspräsidenten müsse ohnehin jeder Abgeordnete seine Nebenverdienste "auf Heller und Pfennig" darlegen, argumentierte Grosse-Brömer. Gegenüber der Öffentlichkeit aber ergebe das "keinen Mehrwert".

Stufenmodell

Derzeit werden die Nebentätigkeiten der Mandatsträger auf ihren Internetseiten unter www.bundestag.de aufgelistet. Dort wird auch die jeweilige Stufe genannt. In Stufe eins fallen Einkünfte von über 1.000 bis 3.500 Euro, in Stufe zwei Einkünfte bis 7.000 und in Stufe drei über 7.000 Euro.

Während die Redner der Oppositionsfraktionen für die exakte Offenlegung der Einkünfte aus Nebentätigkeiten plädierte, sprachen sich die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Beibehaltung eines Stufenmodells aus.

Allerdings, räumte der FDP-Abgeordnete und Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms ein, werde in der Rechtsstellungskommission des Ältestenrates des Parlaments, die er als Mitglied des Präsidiums leitet, bereits eine "Zehn-Stufen-Regelung" diskutiert. Solms warf der SPD-Fraktion vor, bis zur "Causa Steinbrück" zu einer Stufenregelung bereit gewesen zu sein. Erst jetzt fordere sie die "Offenlegung auf den Cent genau". "Wir müssen schnell zu einem Ergebnis kommen, damit die leidige Diskussion ein Ende hat", sagte der FDP-Politiker abschließend. Allerdings herrschte unter den Abgeordneten Uneinigkeit über den Stand der Debatte in der Rechtsstellungskommission: Der Bündnis-Grüne Volker Beck, dessen Fraktion die Aktuelle Stunde gefordert hatte, hatte mit seiner Rede die Aussprache eröffnet. Er monierte, dass bereits seit Jahren, auch in der Rechtsstellungskommission, über das Thema ergebnislos diskutiert werde. Dafür machte er die Regierungsfraktionen verantwortlich: "Sie fürchten Transparenz, wie der Teufel das Weihwasser", warf Beck CDU/CSU- und FDP-Fraktion vor.

Dieser Argumentation schloss sich Thomas Oppermann (SPD) an. Seine Fraktion fordere den "gläsernen Abgeordneten". Auch Oppermann ist Mitglied in der Rechtsstellungskommission, deren Vorankommen die Regierungsfraktionen behindern würden. Sicher ist jedenfalls, dass die Rechtsstellungskommission bereits in dieser Woche wieder tagen wird, um einem Ergebnis näher zu kommen. Und der Linke-Abgeordnete Raju Sharma forderte "neue Transparenzkriterien". Er verwies auf die Internetpräsenz der Linksfraktion beziehungsweise die Seiten all ihrer Mandatsträger. Sie würden bereits ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten freiwillig genau veröffentlichen.

Während die Gegner von Nebentätigkeiten der Meinung sind, dass die alleinige Ausübung des Mandats unabhängig mache, sagen die Befürworter, dass Nebentätigkeit Unabhängigkeit sichern würden: nach dem Ausscheiden aus dem Parlament könnte diese Praxis den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern.