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Kurz notiert

12.11.2012
2023-08-30T12:17:41.7200Z
4 Min

Die Morde der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" haben die deutsche Öffentlichkeit und Politik aufgeschreckt. Dabei hat die Gewalt von Rechtsextremisten in Deutschland eine viel längere und blutigere Geschichte als viele glauben mögen. Der Journalist Olaf Sundermeyer, der seit vielen Jahren in der rechtsextremistischen Szene recherchiert, hat diese Geschichte in seinem empfehlenswerten Buch über den "Rechten Terror in Deutschland" nacherzählt und analysiert.

Sundermeyer stellt dar, wie die Aufmerksamkeit von Gesellschaft und Politik in den 1970er und 80er Jahren gänzlich durch den linksextremistischen Terror der RAF absorbiert wurde. So seien selbst Gruppierungen wie die "Wehrsportgruppe Hoffmann" lange nur als ungefährliche Spinner abgetan worden. Selbst der rechtsextremistisch motivierte Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980, bei dem einschließlich des mutmaßlichen Attentäters 13 Menschen starben, änderte nichts an diesem Umstand. Sundermeyer führt dies unter anderem auf die fehlende Lobby der Opfer zurück. Während die RAF-Terroristen vor allem prominente Vertreter der öffentlichen Lebens wie den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer ermordeten, finden die Namen der Opfer des rechtsextremistischen Terrors - meist Menschen mit Migrationshintergrund - nicht den Weg in das kollektive Gedächnis.

Sundermeyer wiederspricht allerdings der These, dass der Staat vorsätzlich "blind auf dem rechten Auge" sei, wie mitunter behauptet wird. Aber bei den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden sei eine erschreckende Unkenntnis über die rechtsextremistische Szene zu verzeichnen. Das Ansteigen rechtsextremistischer Gewalt in den letzten Jahren erklärt Sundermeyer unter anderem mit dem Scheitern der NPD, den demokratischen Parlamentarismus über die Parlamente selbst auszuhebeln. Dies führe bei vielen Sympathisanten zu einer weiteren Fanatisierung, die ihre Ziele nun gewaltsam durchsetzen wollen.

Olaf Sundermeyer:

Rechter Terror in Deutschland.

Eine Geschichte der Gewalt.

Verlag C.H. Beck, München 2012; 271 S., 16,95 €

Kristin Helberg war die erste westliche Journalistin, die in Syrien eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und Akkreditierung erhielt. Von 2001 bis 2008 berichtete sie aus Damaskus für ARD, ORF und DRS. Über diese Zeit hat sie jetzt ein großartiges Buch vorgelegt. Sie beschreibt den Alltag der Syrer und ihre Bräuche, berichtet aber auch über Konfessionsstreitigkeiten und Religionsfrieden, sozialistische Planwirtschaft und unsoziale Realitäten im Land. Obwohl sie zu Beginn ihrer Zeit in Syrien nur "Damaszener Gossenarabisch" sprach, fühlte sich die Journalistin schnell heimisch. Als im April 2011 der Arabische Frühling auch Syrien erreichte, wurde die mittlerweile mit einem Einheimischen verheiratete Mutter zweier Kinder abgeschoben - trotz ihres gültigen Visums.

Obwohl die Journalistin große Sympathien für die syrische Gesellschaft empfindet, hält sie sich mit Bewertungen zurück, um sich nicht den Vorwurf der Subjektivität einzuhandeln. Tatsächlich gelingt es ihr, die Revolution und den blutigen Bürgerkrieg überzeugend zu beschreiben und zu analysieren: als einen dezentralen, führungslosen Aufstand, entstanden in der Mitte des Volkes. Mit einer starken Militärmacht im Rücken habe das Regime die Spirale der Gewalt in Gang gesetzt und die schwache Opposition bewusst in den bewaffneten Kampf getrieben. Anstatt über eine Intervention zu diskutieren, sollte die Nato die Opposition lieber auf die Machtübernahme vorbereiten, meint Helberg.

Daneben erläutert die Autorin die politischen Ziele des Assad-Regimes in der Region. Obwohl Syrien mit der Forderung nach Rückgabe der von Israel besetzten Territorien durchaus legitime Interesen vertrete, habe der Westen den vermeintlichen "Schurkenstaat" nicht unterstützt. Gleichwohl habe man die Familie Assad hofiert.

Kristin Helberg hat es geschafft, die Menschen in der Region den Vordergrund zu rücken. Und sie verzichtet auf Klischees und politisierte Freund-Feind-Bilder. Schon deshalb sind ihrem Buch viele Leser zu wünschen.

Kristin Helberg:

Brennpunkt Syrien. Einblick in ein verschlossenes Land.

Herder Verlag, Freiburg 2012; 272 S., 9,99 €